Donnerstag, 22. Dezember 2016

Autogrammwünsche mit bewegenden Geschichten

Sind die Zuschriften, die man als Publizist bekommt eigentlich immer nur negativ? Auf gar keinen Fall, aber meist bleibt einem der Hass länger auf der Seele kleben. Hier soll es daher einmal um die Lichtblicke gehen. Es kommt nicht allzu häufig vor, aber hin und wieder erreicht mich tatsächlich "Fanpost", oft mit Autogrammwünschen vesehen. Vermutlich würde mir überhaupt niemand schreiben, wenn meine Handschrift bekannt wäre. Aber bei der Beantwortung dieser Zuschriften gebe ich mir natürlich besonders viel Mühe. 

Ein Herr schrieb mir, dass er inzwischen 96.000 (!) Autogramme "von Gorbatschow bis George Bush und Elizabeth Taylor bis zum Dalai Lama" zusammengetragen habe, und: Nun fehle ihm etwa noch meines. Claus, so heißt der Schreiber, weiß schon, wie er die Leute motiviert. Natürlich habe ich ihm geantwortet - und parallel überschlagen, was er alleine in Rückporto in den letzten Jahren investiert haben muss. Auf den mitgeschickten Bildern sieht Claus auf jeden Fall aus wie jemand, mit dem man sofort ein Bier trinken würde. Geschichten dürfte zur Genüge auf Lager haben.

Besonders hat mich der Brief einer älteren Dame namens Annedore bewegt. Ausnehmend höflich schickt sie mir die besten Wünsche und bittet um die Zusendung eines Autogramms. Die Schrift allerdings wirkt angestrengt, fast schon wackelig. Die Erklärung dafür gibt sie dann auch selbst im Post Scriptum: Einen PC habe sie leider nicht, daher hoffe sie, dass ich die Schrift entschuldige. Es gehe eben leider nicht mehr so gut, sie habe Parkinson. In dem Moment fühle ich mich gleich noch viel mehr geehrt, dass Annedore hat dann auch noch, trotz ihrer zittrigen Handschrift, ein kleines Gedicht dazu geschrieben, das meiner Meinung nach recht gut zu diesen Tagen des Jahres passt. Daher will ich es den geneigten Lesern natürlich nicht vorenthalten:

"Genieße das Leben, sei doch gescheit,
und sage nicht immer: Ich habe keine Zeit.

Arbeite bedächtig und gediegen,
und was nicht fertig wird, lass ganz einfach liegen."

In diesem Sinne allen eine ruhige und besinnliche Zeit im Rahmen von Familie und Freunden!

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Todenhöfer geht zum Freitag - ich kündige!

Wie schlecht steht es um den Freitag? Die Wochenzeitung kämpft ja schon lange mit wirtschaftlichen Problemen. Die aktuelle Personalentscheidung lässt erahnen, dass man nach dem letzten Strohhalm zu greifen versucht - indem man Jürgen Todenhöfer zum Herausgeber macht. Als alternativer Erklärungsansatz käme mir nur noch in den Sinn, dass man dem Vorwurf der Lügenpresse endlich gerecht werden will. Ich bin auf jeden Fall fassungslos, wie man denjenigen, der immer, aber auch immer in der Geschichte auf der falschen Seite stand, der den IS verharmlost, der einen üblen Antiamerikanismus kultiviert hat und von Antisemiten gefeiert wird, noch einmal in eine einflussreiche Position bringt.

Für einen Liberalen mag das ein überraschendes Geständnis sein: Ich habe den Freitag seit einigen Jahren abonniert. Und zwar,
  • weil ich ihn als spannende Ergänzung der Medienlandschaft empfunden habe, 
  • weil ich die Kooperation mit dem Guardian schätze, 
  • weil mir der Kulturteil gut gefällt,
  • weil dort Miguel Szymanski immer wieder einen guten Blick auf Portugal geworfen hat
  • und weil es immer wieder kluge Artikel, etwa diesen von Nils Markwardt, gab, die mich überrascht haben.
Nun hat Nils Markwardt den Freitag verlassen, Augsteins Texte habe ich bisher versucht zu ignorieren - aber Todenhöfers Idee von "Journalismus", dafür bin ich nicht bereit, auch nur einen Cent auszugeben. Ich wünsche dem Freitag, den ich noch gestern nicht hätte missen wollen seit heute den Niedergang, den er sich mit dieser Entscheidung verdient hat. Und: ich kündige!