Freitag, 28. August 2015

"Gefährliche Büger" - Die erste Woche voller Hass

Nun ist die erste Arbeitswoche nach der Veröffentlichung von "Gefährliche Bürger - Die neue Rechte greift nach der Mitte", meinem dritten Buch nach "New Business Order" und "Deutschland dreht durch" im Hanser-Verlag fast vorbei. Und es ist eine Menge passiert. Dazu ein paar Worte.

Ich gebe zu, ich musste in den letzten Tagen mehr als einmal kräftig schlucken. Denn auch wenn es die These des Buches im Kern bestätigt, ist es doch brutal, mit anzusehen, wie die gefährlichen Bürger am Wochenende in Heidenau ebenso wie in der Debatte seitdem ihr wahres, brandgefährliches Gesicht gezeigt haben. Das Fußvolk versucht Asylbewerber zu lynchen (zumindest die, die nicht vorher irgendwelchen Schleppern im Mittelmeer oder auf der Autobahn zum Opfer gefallen sind). Und die in Nadelstreifen, wie der im Buch ausführlich thematisierte AfD-Mann Alexander Gauland, bereiten mit unerträglicher Hetze den Teppich dafür. "Die Täter können sich künftig bei ihren Verbrechen auf den feinen Herrn im feinen Zwirn berufen. Gauland hat geistig endgültig die Springerstiefel angezogen", formuliert Michael Spreng treffend. Und ich staune im Rückblick immer noch, dass es Leute gab, die mir noch vor drei Monaten erzählen wollten, die AfD sei keine rechtsradikale Partei.

Nicht nur Gauland hat sich in der Zwischenzeit zu Wort gemeldet; auch einige der anderen Protagonisten des Buches haben sich seit Redaktionsschluss öffentlich geäußert. Michael Klonovsky etwa, Chefautor des Focus, der neben seinem Job noch Zeit findet, menschenfeindliche Aphorismen-Bändchen zu schreiben (Auszüge habe ich hier und hier öffentlich gemacht) und einen Blog zu füllen, hat sich in Letzterem nun auch den Begriff der "Lügenpresse" zu eigen gemacht. Noch einmal: Der Chefautor. Des Focus. Kommst Du nicht drauf, selbst wenn Du zugekokster Drehbuchschreiber bist. Aber es scheint für Klonovsky kein Problem zu sein, zwei Leben in einem zu führen - auch wenn die beiden Leben sich fundamental widersprechen. Da stört man sich dann auch nicht mehr an Straflagern, dauernden Menschenrechtsverletzungen mit hunderttausenden Toten in Tschetschenien und der brutalen Diskriminierung von Minderheiten in Russland, das Klonovsky als Hort der Freiheit sieht, weil man dort noch Glühbirnen und Mentholzigaretten bekommt und keine Windräder gebaut werden. Wie ich darauf komme: Weil mir das jemand in einer Diskussion zum Buch auf die Pinnwand gepackt hat. Weil wie schon gesagt: Sonst kommst Du da nicht drauf...

Natürlich hat sich Klonovsky in der Zwischenzeit auch zum Islam geäußert. Wie sollte es auch anders sein für einen Islamhasser. Dabei zitiert er (natürlich in eigentümlich frei, dem Magazin, das eine maßgebliche Plattform für die Vernetzung des libertären und des neurechten Milieus ist) das Gatestone-Institut, das gerne einmal den niederländischen Rechtsextremen Geert Wilders hofiert und dessen Chefin vom jüdischen Journalisten Max Blumenthal als "Sugar Mama of Anti-Muslim Hate" bezeichnet wird. Aber damit bleibt Klonovsky weit hinter seinem Buddy Alexander Kissler, Feuilletonchef des Cicero, zurück, der gleichzeitig mit "Gefährliche Bürger" am Montag ein ganzes Buch vorgelegt hat, das das Vorgehen der Islamhasser, derjenigen, die gemeinsam mit den Islamisten unsere pluralistische Gesellschaftsordnung angreifen, bestens illustriert. Kisslers Buch ist gespickt mit neurechtem Vokabular und trägt den irreführenden Titel "Keine Toleranz den Intoleranten: Warum der Westen seine Werte verteidigen muss". Dass der Angriff auf die westlichen Werte allerdings nicht nur von islamistischer Seite erfolgt, sondern gerade auch von rechts, spielt bei Kissler keine Rolle. Nicht, weil Kissler es nicht sieht, sondern weil er es nicht sehen will, würde er doch damit das Umfeld, in dem er sich selbst bewegt, angreifen.

Dass Kissler sich noch dazu bemüßigt fühlte, dem Hanser-Verlag (der Verlag, bei dem der aktuelle Nobelpreisträger unter Vertrag ist) zu unterstellen, er habe bei "Gefährliche Bürger" auf das Lektorat verzichtet, ist natürlich böswillig, vor allem aber erbärmlich. Und es lässt zweifeln, ob jemand, der offensichtlich nicht einmal Hanser richtig einwerten kann, als Feuilletonchef von wem auch immer geeignet ist. In seinem Windschatten segelten dann gleich noch andere windige Gestalten, die unter anderem zur Verbrennung von "Gefährliche Bürger" aufriefen - kennt man ja von Faschisten jeglicher Couleur. Auf dem Islamhasser-Blog PI-News (wird hier nicht verlinkt, dürfte aber bekannt sein) wurde dazu aufgerufen, die Amazon-Seite des Buches mit Negativbewertungen zu fluten. Dabei sind die rechtsextremen Idioten noch nicht einmal in der Lage, dort ihr menschenfeindliches Weltbild zu verstecken und werfen mit den bekannten Szenevokabeln um sich. Besonders lustig ist allerdings, dass gleich mehrere "Rezensenten" ihren Text mit "Mein Nachbar gab mir das Buch..." bzw. "Habe das Buch von einem Bekannten geliehen..." beginnen. Sehr realistisch am ersten Tag nach dem Erscheinen. Kann man wirklich so dumm sein?

Das Gute bisher: Morddrohungen sind - im Gegensatz zur Vergangenheit - ausgeblieben. Da hilft vermutlich auch, dass schon einige rechte Hetzer in den letzten Tagen und Wochen ihre Jobs verloren haben auf strafrechtliche relevante Äußerungen hin. Die Entwicklungen und Reaktionen zeigen allerdings eines ganz deutlich: Das Thema ist so relevant wie nie. Die jede Nacht brennenden Flüchtlingsunterkünfte sind keine Zufälle oder spontane Reaktionen, sondern das Ergebnis von kontinuierlichen und gut orchestrierten Angriffen von rechts. Um die Hintergründe, um die Hintermänner, um Ziele und Strategien geht es in "Gefährliche Bürger". Und ich werde auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht aufhören, die Zusammenhänge zu erklären und Namen zu nennen. Im Namen der Aufklärung. Weil die westlichen Werte nicht nur an einer Front verteidigt werden.

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Wer sich selbst ein Bild machen will: hier und hier gibt es eine Leseprobe. Außerdem hat NDR Info das Buch rezensiert und ich habe mit dem Deutschlandradio und radioeins gesprochen.

Auch einige Blogger haben sich mit "Gefährliche Bürger" auseinandergesetzt, etwa hier, hier, hier und hier

Mittwoch, 19. August 2015

Jürgen Todenhöfer - Neuer Rechter oder Friedensaktivist?

Auf besonderen Wunsch des liberalen Menschenrechtsaktivisten Tobias Huch und mit freundlicher Genehmigung des Hanser-Verlags hier ein kurzer Auszug aus meinem neuen Buch "Gefährliche Bürger - Die neue Rechte greift nach der Mitte" mit Focus auf das Facebook-Phänomen Jürgen Todenhöfer. Besonders seine Verharmlosung rechtsextremen Gedankenguts von 1989 klingt so wie das, was man heute von all jenen hört, die sich insgeheim über jeden Anschlag auf ein Flüchtlingsheim freuen.

Auszug von den Seiten 111 bis 113:

Die sozialen Medien haben ein weiteres Phänomen hervorgebracht, das man hinsichtlich seiner Bedeutung für die neurechte Szene nicht unterschätzen sollte: Einzelpersonen mit einem gewissen Bekanntheitsgrad, die über Facebook und Co. eine riesige Reichweite entwickeln. Ein solches Beispiel ist Jürgen Todenhöfer, den man nach einem Blick auf seinen Facebook-Account, dem inzwischen rund 400 000 Menschen folgen, für einen linken Friedensaktivisten halten könnte. Tatsächlich war er von 1972 bis 1990 CDU-Bundestagsabgeordneter. Ein Blick auf seine damaligen Aussagen, namentlich auf diejenigen aus seinem 1989 erschienenen Buch Ich denkedeutsch – Eine Abrechnung mit dem Zeitgeist, rückt seine heutige Tätigkeit in ein anderes Bild. Damals noch Posterboy des rechten Rands der CDU, schrieb er im Vorwort großspurig: »Der Bürger will wissen, wo es lang geht. Ich sage, wo es lang geht.« Und das tat er dann auch. 

»Wenn Rotgrün nach Bonn kommt, geht die Demokratie«, orakelte er, wohingegen sich das Programm der Republikaner »keineswegs als ›Fahrplan des Faschismus‹ (taz)« erweise, sondern »demonstrativ auf dem demokratischen Parlamentarismus« fuße. Darüber hinaus war Todenhöfer davon überzeugt, es gebe »keine Ausländerfeindlichkeit als Grundströmung in der Bundesrepublik«, daher seien die Republikaner auch keine besondere Gefahr, zumindest keine, die größer sei als Rot-Grün. Vielmehr bestehe das Problem darin, dass die »drei großen A’s – Asylanten, Ausländer, Aussiedler« – so lange durcheinandergemischt würden, »bis niemand mehr weiß, was mit Ausländerhass eigentlich gemeint ist«, was nicht akzeptabel sei in einem Land, »das bis unter den Dachfirst überfüllt ist«. 

Vor diesem Hintergrund klingt Todenhöfers nächste Erkenntnis fast zwangsläufig: »Nicht Neonazis, sondern linke Terroristen« seien es, die die Axt an die bundesdeutsche Realität legten, denn: »Der rote Mob marschiert – nirgendwo  eine braune Front. […] Es sind nicht die erfundenen Neonazis, die diese Republik gefährden.« Keine zwei Jahre später wurde die geeinte Bundesrepublik von einer Serie tödlicher, menschenverachtender rechtsextremistischer Anschläge heimgesucht. 

Seit einiger Zeit nun schreibt Todenhöfer Bücher mit Titeln wie Mein Traum vom Frieden und wirbt für einen Dialog mit dem früheren KGB-Agenten Putin, der heute russischer Präsident ist. Ist der »Friedensträumer« also nach links gerückt? Keineswegs: Der CDU-Rechtsaußen Todenhöfer hat sich über die Zeit gewissermaßen im Gleichschritt mit jener Szene entwickelt, die sich eine neue Form von rechtem Denken wünscht, geprägt von Abneigung gegen das westliche Lebensgefühl, von Sympathie für autoritäre Lösungen, und die für eine möglichst neutrale Stellung Deutschlands wirbt, sozusagen als Insel der Seligen in einer unaufgeräumten Welt. Nein, man ist weder Nazi noch Antisemit, weder Amerikahasser noch Putin-Fan – aber: »Man wird ja wohl noch sagen dürfen …« Mit seiner Mischung aus Welterklärung, Amerika-, Nato- und Israelkritik und Russlandsympathie gelingt es Todenhöfer, die breite Mitte zu erreichen. Selbst für Terroristen bringt er Verständnis auf. In Gerickes Sendung auf RT etwa konnte er unwidersprochen sein Mitleid mit IS-Kämpfern ausdrücken, die erst durch die amerikanische Politik zu Terroristen geworden seien. Bei Jürgen Todenhöfer wirken Erklärungen wie Lösungen immer einfach. Und schuld ist immer der Westen.

Mehr zu den Hintergründen der neuen Rechten, zu ihren Strategien und Protagonisten im Buch - ab Montag, 24. August 2015 überall im Buchhandel erhältlich. Wer Tobias Huchs Initiative für Kurdistan unterstützen will, findet alle Infos hier. Mit einer 5 Euro teuren SMS mit dem Inhalt KURDISTAN an die 81190 gehen 50 Flaschen Trinkwasser an Flüchtlinge in der Region.