Freitag, 14. Februar 2014

Keine Sternstunde der Demokratie

Es ist einige Wochen her, seitdem der Aufruf der Schriftsteller gegen die Massenüberwachung der Bürger erschien. Inzwischen sind weitere Details der Überwachung durch die NSA bekannt geworden – am Schweigen der Kanzlerin zum Thema hat das allerdings bisher nichts geändert. Die Grünen haben den Aufruf zum Anlass genommen, einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter“ in den Bundestag einzubringen. Dazu fand heute die erste Lesung statt, zu der ich mich gemeinsam mit etwa 20 Autorenkolleginnen und –kollegen im Bundestag einfand. Und es stellte sich heraus: Alles ist noch viel schlimmer, als gedacht.

Natürlich kamen im Rahmen der Debatte keine neuen, erschreckenden Details heraus. Dazu ist eine Bundestagsdebatte auch nur in den seltensten Fällen da. Vielmehr konnte man in den über anderthalb Stunden auch ohne ausgefeilte Spionagetechnik einen recht guten Blick in die Köpfe der Abgeordneten werfen. Und gerade im Fall der Union muss man konstatieren: Jeder Zombie in einem Horrorfilm zeigt mehr Reflektionsvermögen, als konservative MdBs bei Fragen der Bürgerrechte.

„Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei!“ – um diesen Satz des Aufrufs strickte Katrin Göring-Eckardt ihre Rede und sparte nicht an berechtigter Kritik an der Bundesregierung, insbesondere auch an der Kanzlerin selbst. Die Linken schlugen in dieselbe Kerbe, nutzten die Debatte allerdings, um auch ihr sonstiges Programm ins Spiel zu bringen – was in weiten Teilen nur am Rande mit dem eigentlichen Thema zu tun hatte. Die SPD wiederum rührte zwar bei den Reden der Opposition wie üblich keinen Finger – in verschiedenen Reden konnte man allerdings herauslesen, dass sie es manches Mal gerne getan hätten und dass man sich bei diesem Thema nur mit einigen Bauchschmerzen an der Seite der Union findet. Bei dieser wiederum herrscht eine dumm-dreiste Schmerzbefreitheit, gepaart mit einer unglaublichen Unkenntnis zum Thema, dass es einem fast schon körperliche Schmerzen bereiten musste.

Manche Einlassung konnte noch unter „Comedy“ durchgehen. So riet die Unionsabgeordnete Nina Warken (Jahrgang 1979, auch wenn sie sich anhörte, wie ihr eigener Großvater) etwa dazu, sichere Passwörter zu benutzen, denn damit sei schon ein gutes Stück des Problems gelöst. Die NSA-Abhörspezialisten dürften sich die Bäuche gehalten haben vor Lachen, ebenso wie das Publikum auf der Besuchertribüne. Ein Kollege sekundierte, man hätte inzwischen einige wichtige Schritte eingeleitet, unter anderem würde man die Stiftung Warentest im Kampf gegen Datenmissbrauch stärken. Google, Facebook, die NSA und Barack Obama dürften die Knie schlottern.

An anderen Stellen konnte man allerdings noch nicht einmal mehr lachen. So wurde von den Unionsabgeordneten immer wieder die Eigenverantwortung der Bürger als maßgeblich angesehen, Daten nicht ins Netz zu stellen. Dass es der Staat ist, der auch in anderen Lebensbereichen sicherstellen muss, dass Gesetze eingehalten werden, scheint für die Union im Netz nicht zu gelten. Im übertragenden Sinne rufen ihre Mitglieder daher dazu auf, sich mit Waffen auszurüsten, weil man nicht mehr in der Lage ist, Raubüberfälle auf der Straße zu vermeiden. Dass gleichzeitig immer wieder der Aspekt Sicherheit quasi als Legitimation für jegliches Abhören und Überwachen unbescholtener Bürger angebracht wurde, lässt nur einen Schluss zu: bei den Konservativen begrüßt man das Tun der NSA sogar, auch wenn man natürlich öffentlich das Gegenteil behauptet.

Insgesamt fiel das unglaublich niedrige Argumentationsniveau der Unionsabgeordneten auf. Das hatte wohl auch damit zu tun, dass ein Großteil der Debattenteilnehmer aus den Reihen der Großen Koalition in dieser wohl als nicht besonders wichtig angesehenen Aussprache ihre Jungfernrede im Bundestag halten durften. Dass die Regierungsbank so gut wie leer war, überrascht da fast schon nicht mehr. Es steht zu vermuten, dass vor allem die Abgeordneten aus der Union von ihren eigenen Regierungsmitgliedern dumm gehalten werden. Dass sie sich das unwidersprochen gefallen lassen und sogar noch glauben, die Regierung verteidigen zu müssen, lässt nicht nur erahnen, wer in der Union den Weg durch die Institutionen schafft, sondern auch, dass an dem Gefühl, dass die Trennung von Exekutive und Legislative inzwischen nur noch auf dem Papier besteht, durchaus etwas dran ist.


Der Spaß, das wurde heute wieder deutlich, ist endgültig vorbei. Es ist Zeit, den Feinden der Freiheit endlich die Daumenschrauben zu zeigen. Vor diesem Hintergrund ist jede Stimme für die Union bei der kommenden Europawahl eine Schande für das Selbstbewusstsein eines jeden Bürgers. Wer die Freiheit auf dem Altar von Sicherheit und Stabilität opfert, wird alsbald aufwachen und alles verloren haben. So weit dürfen wir es wirklich nicht kommen lassen…

1 Kommentar:

  1. Zeitgleich musste dann aber doch der Vorratsdatenspeicher-Held Minister Friedrich den Hut nehmen fuer seinen Daten-Leak in Sachen Edathy... kein schlechter Zufall, meinst du nicht?

    AntwortenLöschen