Dienstag, 4. November 2014

Rezension „Aphorismen und ähnliches“

Seit einiger Zeit beobachte ich nun schon das Treiben des Focus-Autors Michael Klonovsky, der sicherlich ein begabter Schreiber ist, mit seiner Meinung allerdings regelmäßig hart am rechten Abgrund entlang surft. Nun habe ich mir sein im September im Karolinger Verlag erschienenes Buch „Aphorismen und ähnliches“ angeschaut – und war überrascht, wie radikal sich Klonovsky dort äußert. Dass er gerade diese Woche sowieso im Brennpunkt steht, weil gerade ein Focus-Titel zum Islam erschienen ist, zu dem er den Hauptartikel verfasst hat – und der hier von Yassin Musharbash von der Zeit als ziemlich schwacher Journalismus entlarvt wurde – ist Zufall. Es wirft aber natürlich ein umso deutlicheres Licht auf den Autor. Und lässt Fragen an die Chefredaktion des Focus offen. 

Klonovsky äußert sich über das 125 Seiten lange Buch hinweg in kurzen Gedanken weitgehend unsortiert zu den immer wieder gleichen Themenkomplexen. Einen Teil davon habe ich bereits in einem Text für The European verwertet. Hier sollen nun weitere Zitate zu denselben, aber auch zu anderen Themenblöcken eine Idee von den Inhalten des Buches und von der Weltsicht des Autors geben. Wie die Aussagen zu deuten sind, will ich an dieser Stelle jedem selbst überlassen. Ebenso wie die Antwort auf die Frage, was der Zweck eines solchen Werkes sein soll. 


Die Demokratie, die Diktatur und die Monarchie
Kein noch so degeneriertes Adelsgeschlecht hätte Kretins hervorbringen können, wie sie heute in jedem Parlament anzutreffen sind.
Nichts irritiert den Demokraten mehr als der Hinweis auf die zuweilen erstaunlichen individuellen Freiheiten unter der Herrschaft von Monarchen.
Man muß denjenigen mißtrauen, die von sich tönen, sie seien gute Demokraten, wo doch das einzig glaubwürdige Bekenntnis lauten würde: ich plädiere gerade deshalb für Demokratie, weil ich weiß, daß ich kein Demokrat bin.
Demokratie bedeutet, daß ein Mensch von leidlichem Geschmack immer und in jeder Sache überstimmt wird.
Der Rechtsstaat ist heute unter anderem dazu da, das Individuum vor den Demokraten zu schützen.
Wenn sich hinreichend viele Zeloten zu ihr bekennen, wird auch die Demokratie totalitär.
Demokratisierung bedeutet letztlich Umgehung des Mehrheitswillens durch Überbetonung von Partikularinteressen. 
Nicht mehr an ein Gebet zu glauben, aber Wunschzettel in Wahlurnen zu werfen, zeugt auch nicht von Realitätssinn. 
Um die Diktatur einer Partei für die Zukunft auszuschließen, wurde in der Bundesrepublik die Mehrparteiendiktatur eingeführt. 

Die Grünen, die Juden, andere Minderheiten und die Gene

Ein mit der Internet-Pornographie Aufgewachsener vermag sich das Antlitz einer Frau kaum mehr anders vorstellen als mit Spermaspritzern darin.
Man erkennt die Plebs immer am Benehmen, niemals am Einkommen.
Damit die Trottel dieses Planeten ihre Trivialitäten endlich in Echtzeit austauschen können, mußte der technische Genius des Menschen einen erstaunlichen Höhenflug absolvieren.
Aus der Perspektive gewisser zugereister Unterweltler ist Deutschland eine Hure, die für ihre Dienste obendrein noch bezahlt.
Die soziale Isolation des Päderasten, des Sodomiten, des Drogensüchtigen, des Ex-RAFlers betrübt den Grünen, während er die soziale Isolation des Rechten eigens forciert.
Der größte Vorwurf, der sich gegen die Siegelbewahrer der Zeitgeistes vorbringen läßt, ist der, daß man sich beim Trauern um die ermordeten Juden inzwischen wie eine Hure vorkommt.
Mitunter noch stupider als der Antisemitismus ist die Antisemitismusforschung.
Es fragt sich, warum man in seinem Ekel Unterschiede machen soll zwischen einem NPD-Aufmarsch und einem Rap-Video, zumal der Rapper womöglich nur der Vorbote der ethnischen Sturmabteilung von morgen ist.
Die ultimative Geschichte Europas wird wohl ein Asiate schreiben.
Die Begabungsunterschiede zwischen einzelnen Individuen vermag auch der entschiedenste Egalitarist nicht zu leugnen (er müßte sonst keiner sein), aber zwischen den Völkern und Rassen stellt sich durch das Walten wundersamer osmotischer Kräfte die völlige Befähigungsgleichheit ein. 

Die Deutschen - und deren Ende

Eine erdrückende Minderheit der Deutschen lehnt die Sarrazin-Thesen ab. 
„Burn out“, das paßt allenfalls auf Dresden im Februar 1945.
Hat sich die Öffentlichkeit eines Landes erst einmal entlang der Kraftlinien des Ressentiments formiert, gewinnt eine Gruppe kontinuierlich desto größeren Einfluß, je mehr sie sich als diskriminiert darzustellen vermag.
Verbrechen, lehrt der bundesrepublikanische Katechismus, haben soziale Ursachen, sofern sich bei den Tätern keine rechte Gesinnung auftreiben lässt.
Wenn sich ein Deutscher und ein Immigrant prügeln und der Immigrant gewinnt, handelt es sich um ein Integrationsproblem. Gewinnt der Deutsche, ist es Rechtsextremismus.
Im Wort „Ausländerfeindlichkeit“ manifestiert sich die aktuelle und wohl zugleich finale Form deutscher Selbstüberschätzung. „Integration“ wiederum ist die zeitgemäße Version der „Wunderwaffe“. Aber wer will sich schon integrieren in eine sich selbst verachtende, durchmemmte, unstolze, aussterbewillige Gesellschaft? 

Dienstag, 28. Oktober 2014

Volkshochschulkurs für Deutschland (I)

Der DIW-Chef Marcel Fratzscher hat ein bemerkenswertes Buch geschrieben. Erstens, weil er komplexe Sachverhalte verständlich darlegt. Und zweitens, weil er nicht wie einiger seiner namhaften Kollegen der Versuchung erliegt, um der Verkaufszahlen Willen Horrorszenarien zu entwerfen.

Marcel Fratzscher, Jahrgang 1971, gilt als der neue Superstar am deutschen Ökonomenhimmel. Im Gegensatz zu vielen anderen Professoren hat er eine große Zahl an internationalen Stationen hinter sich, neben Harvard und Oxford sind vor allem die EZB und die Weltbank, aber auch Indonesien während des Crashs 1997/98 zu nennen. Der DIW-Präsident kann also glaubhaft vermitteln, dass er Krisenszenarien nicht nur aus der Theorie kennt.

Diese Information ist nicht unwichtig bei der Bewertung seiner Thesen, die sich in weiten Teilen von den alarmistischen Aussagen der einschlägig bekannten Namen – von Sinn bis Otte, von Henkel bis Lucke – unterscheidet. Sein Buch „Die Deutschland-Illusion – Warum wir unsere Wirtschaft überschätzen und Europa brauchen“ trägt dabei die wichtigsten Informationen tatsächlich schon im Titel: Deutschland sollte sich nicht zu stark fühlen, denn nicht alles, was glänzt, ist auch Gold. Und alleine sind wir nichts. So provokant, wie ich es hier zusammengefasst habe, formuliert Fratzscher freilich nicht. Kante zeigt er trotzdem.

In seinem Buch nennt er drei Illusionen, denen Deutschland aus seiner Sicht derzeit kollektiv unterliegt, nämlich dass wir derzeit ein zweites deutsches Wirtschaftswunder erleben, dass wir Europa und den Euro nicht bräuchten und dass Europa nur an Deutschlands Geld wolle. Die erste Illusion ist dabei wohl am schnellsten erklärt: Fratzscher leitet gut nachvollziehbar her, dass nicht die Arbeit an sich mehr geworden ist (was für ein tatsächliches „Jobwunder“ spräche), sondern vielmehr durch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes die Arbeit umverteilt wurde. Darüber hinaus warnt der Ökonom davor, dass sich eine immer größere Investitionslücke auftut, weil die steigenden Steuereinnahmen nicht etwa in Zukunftsinvestitionen (Bildung, Infrastruktur) fließen, sondern in kurzfristige Beglückungsinstrumente wie etwa die Rente mit 63. Auch die Umsetzung des Mindestlohns sieht er äußerst kritisch. Wir leben also, wie es Fratzscher formuliert, aus der Substanz.

Nicht nur der Politik werden allerdings ihre Versäumnisse vorgehalten. Auch Unternehmen und Privatpersonen bekommen etwas zum Nachdenken vorgelegt. So ist die mangelnde Investitionstätigkeit – auch aus der Mitte der Gesellschaft – Fratzschers Meinung nach einer der wesentlichen Gründe dafür, dass Deutschland extrem vom Export abhängig ist (was zwar immer wieder unter dem Begriff „Exportweltmeister“ gefeiert wird, so eindeutig aber nicht zu sehen ist) und die Entwicklung der export- und binnenorientierten Wirtschaftszweige immer weiter auseinanderfällt. Fratzscher spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „gespaltenen Volkswirtschaft“. Darüber hinaus sieht er in der extrem hohen Sparquote der Deutschen ein großes Problem: Nur dadurch, dass dieses Geld nicht in Investitionen geflossen sei, habe man seit 1999 400 Milliarden Euro (!) an Wirtschaftsleistung zunichte gemacht. Sparen um des Sparens willen, das wird deutlich, schadet eher, als das es nutzt. Oder anders gesagt: Wer nicht investiert, kann auch keine Rendite erwarten.

Mit einer Gesamtsicht auf die Positionierungen wird übrigens ein Missverständnis deutlich, das über Fratzscher in der Öffentlichkeit kursiert: Auch wenn er zum Beraterstab von SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gehört, darf man den DIW-Chef durchaus als liberalen Ökonomen sehen, der allerdings nicht zum Dogmatiker taugt. Er hat einen klaren Blick für das Funktionieren des Marktes, ohne allerdings die an einigen Stellen zu Tage tretenden Schwächen alleine aus einer Weltsicht heraus zu negieren. Risiko ist für ihn kein Fremdwort, sondern wichtige Basis einer funktionieren Wirtschaft. Die Kritik, die er an der Überheblichkeit der Deutschen, aber auch an maßgeblichen Projekten der aktuellen Bundesregierung formuliert, sollte man daher ernst nehmen.

Teil II der Buchbesprechung erscheint morgen an dieser Stelle.


Disclaimer: Marcel Fratzscher und ich sind beim selben Verlag unter Vertrag und arbeiten mit demselben Lektor zusammen. Das hat meine Bewertung des Buches allerdings in keiner Form beeinflusst.

Montag, 20. Oktober 2014

Bernd Lucke und die Gaskammern

"Mut zur Wahrheit" und "Man wird ja wohl noch sagen dürfen...", das sind zwei der Gründungsmythen der AfD. In der Realität hat der Parteivorsitzende Bernd Lucke mit diesen Ansätzen so seine Probleme. Das überrascht an sich nicht weiter, ist er doch schon mehrfach mit einem seltsamen Verhältnis zur Wahrheit aufgefallen. Aktuell allerdings geht es um die Gaskammern der Nazis, da lohnt ein genauerer Blick. Und was ich da erleben durfte, spricht nicht dafür, dass die AfD tatsächlich vorhat, sich vom braunen Rand abzugrenzen. Ausgegrenzt werden nur die Demokraten.

Um was geht es? Bernd Lucke reagierte am Wochenende auf zwei konkrete (von vielen, vielen) "Einzelfälle" in seiner Partei. Einer davon war Martin Sichert, der immerhin von einem Landesparteitag der AfD zum Vorsitzenden gewählt worden war, was wegen Fehlern in der Abstimmung allerdings für ungültig erklärt wurde. Er ist davon überzeugt, dass am Ende des zweiten Weltkrieges die "zwei größten Massenmörder gesiegt" hätten. Der andere war ein AfD-Mitglied, das in einer Parteiveranstaltung offensiv den Holocaust leugnete - und dafür Applaus bekam.

Auf seiner Facebook-Page distanzierte sich Lucke nun von beiden Aussagen und Personen und kündigte ein Ausschlussverfahren an. Meine Bemerkung, dass sich wieder einmal der Parteivorsitzende von seiner Partei distanziere und es sich wohl um strukturelle Probleme handeln dürfte, wurde sofort, wohl von Lucke persönlich - der danach noch weiter an der Diskussion teilnahme -, gelöscht und ich für zukünftige Kommentare geblockt. Nun darf jeder auf der eigenen Facebook-Page tun und lassen, was er will. Ein Prinzip übrigens, was gerade AfD-Primitivbürger oftmals nicht verstehen und gleich "Zensur" brüllen. Was allerdings interessant ist: Als meine Bemerkung, die ohne Beleidigungen oder sonstige strafrechtliche relevante Ausfälle auskam schon lange gelöscht war, durfte ein Bild, in dem die Nutzung der Gaskammern für den Massenmord in Frage gestellt werden, weiter stehenbleiben. Auch die sonstigen Kommentare werden scheinbar nicht für problematisch erachtet:
da waren knapp 20 Zuhörer und ein Pressevertreter, völlig belanglos
Das sind Uboote, eingeschleust um die Partei von innen zu zerstören. 
alles so passend, die Euro-Krise kommt wieder an die Oberfläche, die CDU in Panik und jetzt werden diese U-Botte gesendet.  
Bernd Lucke: Relativieren sie etwa die 20 Millionen Morde von Stalin und die 70 Millionen von Mao????????????????????????????????????????? 
 Ich persönlich bin der Meinung, daß in einer Volkspartei,die sie ja sein wollen, auch mal unbequeme Aussagen getroffen werden dürfen, ohne gleich ausgeschlossen zu werden. Eine Rüge, sollte da eigentlich reichen. 
Deutschlands und die Nazi Keule... man kann alles und jeden fertigmachen! Man muss sich für die heutige Gesellschaft in Grund und Boden schämen 
Henrik Mpll, die AfD ist eine Partei die sich um die Zukunft kümmern muss und nicht Zeit und Energie um haarspaltende Geschichtsbetrachtung verlieren sollte.   
Mut zur Wahrheit und gegen Denkverbote was zählt sind Fakten 
Querulanten entfernen.. nett ausgedrückt Miguel Kay! Wie wäre es mit Säubern oder eliminieren? Jede andere Meinung unterdrücken und verbieten! Ihr seid in kürzester Zeit genauso scheisse geworden wie die Altparteien, Glückwunsch! 
Diese Kommentare zeigen wieder einmal deutlich, wie raffiniert und effektiv versucht wird die AfD zu zerstören!  
Innerparteiliche Konkurrenten durch Schauprozesse und angetriebene Scheinverfahren loswerden wollen, keine feine Art. 
Wenn Menschen wie Herrn Sichert Unrecht widerfährt, kann ich nicht stillhalten, 

(Alle Rechtschreibefehler und Co sind natürlich 1:1 von den Verfassern, nach eigenem Empfinden ja Deutschlands Elite, übernommen.)

Was aus diesem Handeln Luckes deutlich wird: Mit Meinungsfreiheit ist bei ihm die Meinung derjenigen gemeint, die sich vorstellen können, AfD zu wählen. Rechtsradikale und Rechtsextreme sind ihm da immer noch lieber, als Demokraten, die seiner Partei kritisch gegenüber stehen. Das Problem ist nicht das Leugnen des Holocausts an sich, so wirkt es, sondern nur das Leugnen des Holocausts, das es in die Medien schafft und der AfD schaden könnte. Dazu passt auch, dass Lucke kein Problem damit hat, auf eine Demo gegen Judenhass zu gehen, während auf Landtagswahllisten der AfD Kandidaten sitzen, die offen antisemitische Propaganda verteilen oder über den offiziellen Account der AfD Berlin verbreitet wird, die Juden hätten vom Holocaust profitiert.

Ich persönlich halte die AfD für deutlich gefährlicher, als es die NPD jemals war. Rassisten, Antisemiten, Behindertenfeinde, Homophobe - all das tummelt sich in der AfD unter einem bürgerlichen Mäntelchen. Das in die Welt zu tragen, das ist wirklich Mut zur Wahheit. Und das wird man ja wohl noch sagen dürfen...

   

Donnerstag, 25. September 2014

Brief an Heribert Prantl

Sehr geehrter Herr Prantl,

ich schätze Ihre Kommentare, oft bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ihren gestrigen Beitrag zur FDP kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Gerne führe ich auch aus, warum das so ist.

Zunächst einmal kann sich doch keiner wundern, dass die Wahlergebnisse dieses Jahr so waren, wie sie waren. Die Analogie zu 1999 ist unverkennbar. Und Sie sind ja nun wirklich lange genug dabei, um zu wissen, wie lange es braucht, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurück zu gewinnen. Die Ergebnisse waren letztes Jahr im September schon vorauszusehen, auch wenn man natürlich vor allem in den wahlkämpfenden Landesverbänden alles daran gesetzt hat, sich gegen die Vorsehung zu wehren. Egal was die FDP gemacht hätte, wer Spitzenkandidat gewesen wäre, welche programmatischen Volten sie vollführt hätte oder wir spritzig die Kampagne auch gewesen wäre: Es hätte niemals gereicht.

Vor diesem Hintergrund muss man auch das Schweigen der Bundesspitze verstehen. Und sollte es nicht mit Lethargie, mit Lähmung verwechseln. Warum hätte man die Trümpfe, die man noch im Arm hat, verbrennen sollen zu einem Zeitpunkt, als einem niemand auch nur mehr die Uhrzeit geglaubt hätte? Eine FDP, die von der Marketinglastigkeit unter Westerwelle wieder zu einer ernstzunehmenden programmatischen Alternative werden will, muss sich Zeit nehmen und seriös arbeiten. Sonst bleibt es bei Sonntagsreden. Eine Partei, in der die Basis kleingehalten wurde, muss wieder lernen, wie es anders gehen kann. Und auch das braucht Zeit. Und eine Partei, die heute Rechtsstaatspartei sein will, kann sich zwar von der Zeit der Flachs, Dahrendorfs und Maihofers inspirieren lassen, muss deren Prinzipien aber im heutigen Kontext denken - und auch das braucht Zeit, um die entsprechenden Kompetenzen aufzubauen.

In der FDP, das kann ich Ihnen versichern, gibt es reichlich Liberale. Auch Liberale, wie Sie sie sich wünschen. Die sortieren und vernetzen sich, denken und diskutieren. Auf jeden Fall, und das ist auch die Stärke von Christian Lindner, verfallen sie nicht in blinden Aktionismus, der nur wieder zu einer oberflächlichen Erneuerung ohne Substanz führen würde. Wenn Sie es wirklich gewollt hätten, hätten Sie das übrigens auch herausfinden können. Leider haben Sie sich allerdings von Schlagzeilen blenden lassen. Sie beschreiben noch die FDP im September 2013. Aber wie Sie selbst sagen: Es ist ein Jahr seitdem vergangen. Und in diesem ist mehr passiert, als in den Medien steht. Geben also auch Sie uns noch eine Chance, zumindest indem Sie uns nicht abschreiben, ohne einen genaueren Blick hinter die Kulissen geworfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Christoph Giesa

Sonntag, 31. August 2014

Landtagswahl in Sachsen, das nicht Berlin ist


Sachsen ist anders. Das ist nicht neu, wird aber heute noch einmal besonders deutlich. Gerade einmal eine knappe Mehrheit hat die sehr wahrscheinliche „Große“ Koalition in Sachsen, im Bund sind es immerhin noch mehr als zwei Drittel. Es gibt faktisch nur noch eine Partei der Mitte, ein paar Peanuts für SPD und Grüne – und viel Peripherie. 20 Prozent wählen radikal links, trotz des seltsamen Kurses der Linkspartei mit Blick auf den Ukraine-Konflikt und insbesondere Russland. Und 15 Prozent – etwa so viel wie Rot und Grün zusammen - wählen radikal rechts, trotz einer NPD, die sich seit Jahren selbst zerlegt und einer AfD, die in Sachsen wie nirgends zuvor auf rechtsradikale Parolen, Ausländerfeindlichkeit, Putin-Unterstützung und Hass gegen das Establishment gesetzt hat und mit Frauke Petry eine Spitzenkandidatin hatte, gegen die gleich mehrere Ermittlungsverfahren laufen und die nicht nur ein Problem mit Ausländern, sondern auch mit der Wahrheit zu haben scheint. Aber vielleicht ist „trotz“ das falsche Wort, „wegen“ trifft es wohl besser.

Ich gebe zu, ich mache mir langsam wirklich Sorgen um dieses Land. Uns – auch den Sachsen - geht es so gut wie keiner anderen Nation in Europa – und zwar auch wegen Europa und dem Euro. Dass der blinde Hass, den NPD und AfD schüren trotzdem bei einer riesigen Zahl von Menschen verfangen kann, dass auch die Montagsmahnwachen und die Reichsbürger immer weiteren Zulauf erhalten, hat daher nichts mit der Realität, sondern nur mit einem Bauchgefühl zu tun. Auch wenn es das vermutlich immer gab, ist heute allerdings eines anders: Es wird mit professionellen Methoden adressiert, von Verlagen, Magazinen, auch von Parteien, die damit ihren Schnitt machen. Und zwar nicht zu schlecht. Aus einzelnen Spinnern mit Reichskriegsflaggen oder Aluhüten sind inzwischen manipulierbare Massenbewegungen geworden. Und wer es bis jetzt nicht kapiert hat, der wacht vielleicht heute Abend auf. Denn um es ein für allemal klar zu sagen: Es muss nicht wieder erst ein Asylbewerberheim brennen, bis wir uns in Bewegung setzen. Die offene Gesellschaft ist bedroht, und zwar in Deutschland und Europa. Und es wird Zeit, dass sich aufrechte Demokraten jedweder Couleur zusammenschließen, um diesen Leuten klar zu machen: Ihr mögt noch so viele sein, aber mit Euren Thesen und Eurem Hass steht ihr am Rande der Gesellschaft – und einer übermächtigen Zahl von Menschen gegenüber, die diese Demokratie zu verteidigen bereit sind. Mit Wahlbeteiligungszahlen wie heute wird das aber nichts.

Am Ende noch ein Wort zur FDP in Sachsen. Sachsen ist nicht Berlin – das wurde plakatiert. Und es stimmt: Auf Bundesebene wäre das Ergebnis wohl einen Tick besser ausgefallen. Nun verbietet es sich allerdings, sich zwischen Bund und Land die Schuld zuzuschieben. Sachsen war nie der Gradmesser für die Situation der FDP, sonst hätte man 1999 nach 1,1 Prozent bei der Landtagswahl die Partei in Gänze abwickeln müssen. Und es war schon kurz nach der Bundestagswahl klar, dass die FDP dieses Jahr kaum irgendwo einen Blumentopf gewinnen würde. Ein Wiedereinzug in den Landtag wäre eine riesige Überraschung gewesen, und die bleibt nun eben aus. Dem Team um Holger Zastrow kann man dabei wenig vorwerfen, man hat mit großem Einsatz bis zum Schluss gekämpft und eine durchaus ordentliche Regierungsbilanz vorzuweisen. 

Die vermutlich sehr deutliche Wählerwanderung von der FDP zur AfD sollte allerdings genau betrachtet werden. Meine Hypothese ist die, dass man 2009 auf eine große Zahl von Protestwählern gesetzt hat, die man nun wieder verloren hat. Die Geschichte zeigt: Das ist die undankbarste Wählergruppe überhaupt, mit der ist auf Dauer kein Staat zu machen. Ein Teil wird aber wohl auch aus bürgerlichen Wählern bestehen, die der FDP den Rücken zudrehen wollten und – aus Unwissenheit – glauben, es bei der AfD mit einer seriösen, konservativ-liberalen Kraft zu tun zu haben. Diese gilt es zurück zu gewinnen – mit guter Arbeit, durchaus aber auch dadurch, dass man die Leute darüber aufklärt, was die AfD wirklich ist. Denjenigen allerdings hinterher zu rennen, die die AfD, wie oben beschrieben, wegen ihres klar rechten, demokratiefeindlichen Profils gewählt haben, verbietet sich. Wer das fordert, soll die Partei verlassen.

Der Erneuerungsprozess der FDP braucht Zeit, keine Frage. Aber nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg muss eindeutig klar werden, wo der Kurs hingeht. Viel eindeutiger, als bisher. Die Verunsicherung liberaler Wähler ist wahrscheinlich die größere Gefahr für den Fortbestand der FDP als ihre schlechten Umfragewerte, ihre katastrophales Image oder die organisatorische und finanzielle Schwäche. 









Donnerstag, 28. August 2014

Impressum


Verantwortlich:

Christoph Giesa
c/o betahaus Hamburg
Eifflerstraße 43
22769 Hamburg

040-28056836
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Dienstag, 29. Juli 2014

Hitzige Diskussion zum Grundeinkommen

Am 17. Juli fand in den Räumen des Weltethos-Institutes wieder einmal eine hochkarätig besetzte Veranstaltung in der Reihe „Klüger Wirtschaften“ statt. Zu Gast waren diesmal der Gründer der dm-Drogeriemärkte, Götz Werner, sowie der streitbare Bremer Ökonom Rudolf Hickel, um auf Basis von Werners Buch „1000 Euro für jeden“ die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens zu diskutieren. 300 Besucher aller Altersklassen zog diese Veranstaltung an, zu der Stephan Schlensog vom Weltethos-Institut in Vertretung des erkrankten Direktors Claus Dierksmeier ein paar einleitende Worte sprach. Er zitierte Dierksmeier dabei mit den Worten „Armut untergräbt die intellektuelle und praktische Teilhabe am politischen Leben“ – eine Aussage, hinter der sich wohl alle Teilnehmer versammeln konnten.

Wer nun allerdings geglaubt hätte, Hickels einleitende Buchbesprechung wäre voll des Lobes und die beiden Herren würden sich danach gemäß ihrer Seniorität gegenseitig höflich die Bäll zuspielen, der sah sich schnell getäuscht. Zwar lobte Hickel Werner dafür, dass er sich mit der Problematik des über die Jahre stark angewachsenen Niedriglohnsektors, resultierend aus den Hartz-Reformen, auseinandersetzte. Allerdings dauerte es nicht lange, bis er Werner dann - immer augenzwinkernd, aber doch pointiert - vorwarf, das eigentliche Thema zu verkennen. Aus Hickels Sicht gehe es nämlich nicht um ein Recht auf Einkommen, sondern um ein Recht auf Arbeit. Erst wenn dieses gegeben sei und darüber hinaus das daraus generierte Einkommen ausreiche, um davon zu leben, hätten die Menschen die Chance zur Selbstbestimmung. Werner antwortete darauf später, dass er natürlich sowohl Arbeit, als auch Einkommen als wichtig ansehe, dass gute Arbeit aber nicht zwangsläufig für gutes Einkommen sorgen müsse und man daher die beiden Dinge voneinander trennen solle. Ein Dissens, der sich über den Abend nicht mehr auflösen ließ und für scharfe Wortgefechte zwischen den Diskutanten, aber auch mit dem engagierten Publikum sorgte.

Moderator Dr. Christopher Gohl führte trotzdem souverän durch den Abend und ließ sich auch von der einen oder anderen spitzen Reaktion auf seine Fragen nicht aus der Ruhe bringen. Warum ein Grundeinkommen als Menschenrecht an nationalstaatlichen Grenzen Halt machen müsse blieb allerdings bis zum Ende unbeantwortet. Und auch bei der Frage nach der Finanzierung gab es keine Einigkeit. Werner plädierte für die Idee, die Steuern radikal zu senken und das Grundeinkommen über die Konsumsteuern zu bezahlen, was Hickel so nicht stehen lasse wolle, weil es Großverdiener deutlich bevorzuge. Er warf als Alternative eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer in den Raum, mit der sich wiederum Werner überhaupt nicht anfreunden konnte. In dieser Phase der Veranstaltung fiel mehr als einmal das Wörtchen „Skandal“, was zeigt, wie hoch die Wellen bei der Frage danach, was denn nun Gerechtigkeit und Teilhabe bedeuten, schlagen können.

Hickel wiederholte mehrfach, dass er nicht gegen das Grundeinkommen an sich sei. Allerdings wolle er dieses mit einem Mindestlohn gekoppelt wissen. Er forderte damit gewissermaßen Bedingungen für die Einführung eines bedingslosen Grudeinkommens, was zu Schmunzlern im Publikum führte. Dr. Bernd Villhauer, Initiator der Gesprächsreihe, der sich zu Hickel und Werner aufs Podium gesellt hatte, konnte sich auf Nachfrage von Gohl nicht zu einer klaren Aussage durchringen, ob er denn eine Unterschriftensammlung pro Grundeinkommen unterschreiben würde. Er sehe tausend Probleme und habe noch tausend Fragen, aber die Idee, einmal alles auf den Kopf zu stellen finde er durchaus beeindruckend, stellte er fest. Damit stand er vermutlich für einen Großteil des Publikums, der gemerkt haben dürfte, dass es sich um ein spannendes Thema handelt, bei dem der Diskussionsprozess allerdings noch eher am Anfang als am Ende steht.

Zum Ende hin kamen sowohl Hickel als auch Werner wieder auf den Veranstalter zurück. Hickel bedankte sich beim Weltethos-Institut dafür, dass es sich mit seiner Arbeit den Fehlentwicklungen des deutschen Universitätswesens entgegen stelle. Und Werner schlug den Bogen zur Ethik, als er feststellte, dass man natürlich Missbrauch niemals komplett verhindern könne. „Aber darum kümmert sich dann der Liebe Gott“, fügte er mit einem Schmunzeln hinzu.

Was bleibt von der Diskussion? Nun, zunächst einmal, dass Götz Werner wohl nicht gewohnt ist, von links attackiert zu werden. Trifft er sonst wohl vor allem auf Fragesteller aus liberal-konservativen Kreisen, die ihn immer wieder nach der Finanzierung und der Motivation der Menschen fragen, kamen diese Themen diesmal eher am Rande zur Sprache. Wer sich in der Rolle gefällt, das Publikum auf seiner Seite zu haben, weil er regelmäßig der „gute Mensch“ in der Runde ist, kann schon einmal ins Schlingern kommen, wenn sich die Rollen umkehren. Hickel attackierte Werner immer wieder von links - mit viel Witz zwar, aber leider auch mit Argumenten aus den 80ern. Trotz dieser Schwächen reichte es aber, um Werner komplett aus dem Konzept zu bringen und Schwächen in dessen Argumentation eindeutig zu Tage treten zu lassen. 

Die Frage, ob nun ein Recht auf Arbeit oder ein Recht auf Einkommen im Mittelpunkt der politischen Bemühungen stehen soll, bleibt damit auch nach dieser Veranstaltung leider unbeantwortet. Vielleicht fehlte auf dem Podium einfach auch eine andere Perspektive, ein jüngerer Diskutant oder eine Frau etwa. Auf jeden Fall aber eine liberale Stimme. 

Werner punktete wenigstens einmal gegen Hickel, als er ihm Einstein entgegen schleuderte mit dem Zitat, dass keine alten Lösungen brauche, um neuartige Probleme zu lösen. Das war es dann aber auch. So musste man am Ende zu dem Punkt kommen, dass zwei über 70jährige mit ihren jeweils schon einige Tage alten Konzepten kaum die belastbaren Antworten für die Zukunft geben werden. Es ist eben doch alles etwas komplizierter – das dürfte deutlich geworden sein. Alleine dieses Ergebnis ist aber doch auch schon eines, das sich vor allem diejenigen zu Herzen nehmen sollten, die glauben, es gäbe einfache Antworten wie das Grundeinkommen oder Mindestlöhne für die komplexen Fragen unserer Zeit.

Donnerstag, 17. Juli 2014

Die Geister, die ich rief…

Dirk Niebel wusste als Minister nicht, wie er sich zu verhalten hat. Und er weiß es als Ex-Minister auch nicht. Ein Facebook-Kommentar zu Messi, der das Niveau hatte, auf dem man sich als normaldenkender Mensch höchstens im Privaten und nach viel Bier bewegt, ist der jüngste Ausfall. Zuvor schlugen die Wellen schon hoch, als bekannt wurde, dass er als Ex-Entwicklungshilfeminister einen Arbeitsvertrag beim Waffenbauer Rheinmetall unterschrieben hatte. Niebel schadet der Partei, er behindert den Aufbruch, die Neuaufstellung als ernstzunehmende liberale Kraft nach Jahren des selbst verschuldeten Niedergangs – und ist damit leider nicht alleine. 

Es ist Zeit, sich von den Niebels in der FDP aufs schärfste abzugrenzen und ihnen klar zu machen, dass der einzige Dienst, den sie der liberalen Sache noch leisten können, wäre, sich einfach so weit es geht zurückzuziehen und vor allem den Mund zu halten.

Dabei ist Niebels Wechsel formell weit weniger problematisch als mancher Versuch aus den Reihen der Union, namentlich Pofalla und von Klaeden, aus ihrer Partei- und Regierungskarriere direkten Profit zu schlagen. Von Schröder – und neuerdings auch Mißfelder - und ihrer Liebe zu Gazprom und Putin ganz zu schweigen. Zwischen Niebels Ausscheiden aus der Regierung und seinem ersten Arbeitstag liegt immerhin ein Jahr. Und auch andere Menschen arbeiten in Deutschland für Rüstungsunternehmen, Tabakfirmen oder Glücksspielunternehmen – das alleine ist noch kein Verbrechen. 

Alle anderen ehemaligen FDP-Minister haben es allerdings geschafft, ihre „Anschlussverwendung“ mit überragendem Fingerspitzengefühl zu wählen – sie sind entweder im Ausland tätig oder widmen sich, wie Guido Westerwelle, einer Tätigkeit als Stifter. 

Keiner von ihnen hat aus seiner Ministertätigkeit als Lobbyist direktes Kapital geschlagen – und man darf durchaus davon ausgehen, dass etwa Daniel Bahr Angebote von privaten Krankenkassen auf dem Tisch hatte, bevor er sich für einen amerikanischen Think Tank entschied.

Unabhängig davon, dass alle vorherigen Minister auch Mitglied in den Führungsgremien der Partei waren und ihren Anteil an deren Niedergang haben: Sie unterlassen es wenigstens, den Nachfolgern noch zusätzlich Steine in den Weg zu legen. Niebel dagegen hat bis heute nicht verstanden, dass auch er eine Menge falsch gemacht hat – und hat aus genau dieser Arroganz heraus seine Entscheidung ohne Rücksicht auf die Öffentlichkeit getroffen. Damit beweist er, was viele schon lange wissen: Er hätte niemals soweit nach oben kommen dürfen, erst als Generalsekretär, dann auch noch als Bundesminister. Hätte man den ehemaligen Arbeitsvermittler nicht weit über seine Kompetenzen hinaus befördert, wäre dieser niemals in die Verlegenheit gekommen, seinen neuen Job anzutreten.

Leider ist Dirk Niebel zwar der prominenteste, nicht aber ein Einzelfall, in dem Amts- und Mandatsträger aus der alten FDP der Partei mit ihren Ausfällen schaden. Erst gestern wagte sich der Landtagsabgeordnete Ulrich Alda mit Parolen auf den politischen Markt, die zu primitiv sind, um sie hier wiederzugeben und eher zur AfD passen würden. Vor allem aber taugen sie dazu, progressive Köpfe innerhalb der FDP zu frustrieren – und interessierte Menschen außerhalb der FDP abzustoßen.

Ein Alda, ein Niebel, ein XY, der im Namen der sowieso schon unter verschärfter Beobachtung stehenden FDP populistischen Blödsinn von sich gibt oder sich wie ein Elefant im Porzellanladen gibt, verschreckt ein Vielfaches an potenziellen Aktivisten – und eine noch viel größere Zahl von potenziellen Wählern. 

Keiner von diesen hat daher nur aus Loyalität gegenüber Menschen mit dem gleichen Parteibuch Schonung verdient. Im Gegenteil: Je lauter und je klarer man sich davon distanziert, desto glaubhafter – und desto eher schalten die Kandidaten für Eskapaden in Zukunft ihr Hirn ein, bevor sie den Mund aufmachen oder in die Tasten hauen.

Die FDP war einmal eine Partei großer Denker. Die letzten Jahre haben sie diesen Ruf komplett gekostet, in der öffentlichen Wahrnehmung ist sie inzwischen die Partei der großen Luftnummern. Mit der neuen Mannschaft gibt es eine Chance, dieses Bild wieder zu drehen. Dafür muss man aber auch gnadenlos mit der Vergangenheit aufräumen und beispielsweise klarmachen: Dirk Niebel spricht nicht mehr für die FDP. Er ist Privatperson mit FDP-Parteibuch. Und mehr soll er bitte auch nie wieder werden.

Die genannten Verfehlungen sind nicht die der neuen „Lindner-FDP“, sondern Altlasten aus der verkorksten Zeit vor 2013. 

Den wenigen in der FDP, die vor diesem Hintergrund immer noch glauben, Niebel, Alda, von mir aus auch Brüderle und Co verteidigen zu müssen, sei ein Sprung ins Eisbad empfohlen. Vielleicht wachen sie dann auf. Denn um es noch einmal klar zu sagen: Wer sich an Niebels Seite stellt, stellt sich damit gegen Christian Lindner und seine Linie der Mäßigung und der Demut. 

Alle zusammen sollten den Fall Niebel als Mahnung sehen, bei zukünftigen Personalentscheidungen genauer hinzusehen. Und die Wähler sollten sich die Frage stellen, ob sie Christian Lindner, Agnes Strack-Zimmermann oder Nicola Beer zutrauen würden, sich in Zukunft so wie Niebel zu verhalten. Ich glaube das nicht. Und das ist eine gute Nachricht auf dem Weg zu einer neu aufgestellten FDP.

Mittwoch, 23. April 2014

Ethik ist das neue Grün – Warum der Erfolg moralischen Wirtschaftens zwangsläufig ist

Noch zu oft werden Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit an hohen ethischen Standards ausrichten belächelt. Dabei hilft ein Blick auf die Öko-Bewegung, um zu verstehen, dass ein beginnender Wertewandel oft nur den Anfang für umfassende Veränderungen markiert. Wer nicht nachhaltig und ethisch handelt, wird in Zukunft nicht etwa besser dastehen, sondern zunehmend unter Druck kommen.

Es ist noch gar nicht lange her, da fand man ökologisch produzierte Kleidung nur in Eine-Welt-Läden – nicht besonders modisch, teuer und oftmals subventioniert noch dazu. Viele Manager großer, auf den Massenmarkt ausgerichteter Unternehmen waren davon überzeugt, dass man mit einem verantwortungsvollen, nachhaltigen Ansatz kein Geld verdienen könne. Inzwischen sind die vormaligen Nischenprodukte wie Bio-Baumwolle im Massenmarkt angekommen und erreichen etwa beim Textilriesen C&A hohe zweistellige Wachstumsraten jährlich. Und das, ohne dass die Endprodukte dabei besonders teuer oder gar unmodisch wären. Die grüne Realität hat die Bedenkenträger von früher längst widerlegt, in Teilen wohl auch überzeugt. Experten wie Prof. Dr. Claus Dierksmeier, Direktor des Weltethos-Instituts in Tübingen, überrascht diese Entwicklung nicht. Er formuliert auf den Punkt: „Wirklichkeit beweist Möglichkeit.“

Maßgeblich für diese Entwicklung sind zunächst die klassischen Marktkräfte. Dabei schafft sich das Angebot eine Nachfrage, gleichzeitig schafft sich die steigende Nachfrage aber auch ein wachsendes, sich weiter ausdifferenzierendes Angebot. Je größer die Stückzahlen werden, desto professioneller kann der Produktionsprozess gestaltet werden – und desto kleiner wird die Preisdifferenz zu bestehenden, herkömmlich produzierten Produkten. Im besten Fall verschwindet diese ganz, wodurch sich ein neuer, höherwertiger – oder in diesem Fall: ethischerer – Standard durchsetzt. 

Diesen wirtschaftlichen Effekt sozialer Interaktion haben viele Unternehmen bis heute nicht richtig verstanden. Nicht anders ist es zu erklären, dass viele von ihnen immer noch lieber darauf setzen, Lobbyisten zu bezahlen, die sich dann dafür einsetzen, den antiquierten Geschäftsmodellen zumindest rechtlich noch eine Gnadenfrist zu gewähren. Diese Herangehensweise ist allerdings alles andere als nachhaltig, weil sie fast zwangsläufig dafür sorgt, dass man den Markt aus den Augen verliert, der längst neue, ökologischere oder eben auch moralischere Lösungen entwickelt und die Nischen füllt, die man aus Unbeweglichkeit unbesetzt lässt.

Genau an diesem Problem des Lobbyismus setzt auch der zweite Hebel an, der den gesamten Prozess beschleunigt – und die Herausforderung weiter verschärft. Würde man sich nämlich allein auf die altbekannten Marktkräfte verlassen, würde der Wandel eine kleine Ewigkeit dauern. Und unbestreitbar gilt in vielen Geschäftsfeldern derzeit noch, dass sowohl Moral, als auch Unmoral die Basis für lukrative Geschäftsmodelle sein können. Mit zunehmender Transparenz und einer sich daraus entwickelnden größeren Sensibilität immer weiterer Teile der Gesellschaft ändert sich das allerdings zunehmend – auch durch das Wirken der Politik.

Denn auch aus dieser Richtung wird in Zukunft der Druck auf alte, ethisch fragwürdige oder zumindest grenzwertige Geschäftsmodelle immer größer werden, negative externe Effekte – seien es nun Umweltschäden oder die Ausbeutung von Arbeitskräften – zu vermeiden und damit in den Preis mit einzurechnen. Der Versuch der Einflussnahme kann vor dem Hintergrund der immer zahlreicher werdenden NGOs, die jeden Winkel politischer und wirtschaftlicher Tätigkeit mit immer professionelleren Mitteln ausleuchten, daher sogar nach hinten losgehen. Und wer einmal einen veritablen Shitstorm über sich ergehen lassen musste, wird auch an den Unternehmenszahlen schnell merken, dass damit nicht zu spaßen ist.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die gesetzlichen und öffentlichen Anforderungen an Unternehmen, ihre Produkte und deren Produktion in Zukunft weiter steigen werden, ist groß. Das gilt umso mehr gerade weil die Entwicklung nicht vom Staat getrieben wird, sondern aus der Gesellschaft selbst heraus kommt. Staaten, die versuchten, Tugend vorzugeben, sind noch selten erfolgreich gewesen. Wenn sich aber die Moralvorstellungen in der Gesellschaft, die Normen in den Köpfen der Menschen langsam verändern, ist der Prozess kaum aufzuhalten. Die Staatsschuldenkrise in vielen Ländern, die es Verwaltungen immer weniger erlaubt, privatwirtschaftliche Verfehlungen öffentlich auszugleichen, tut ihr Übriges dazu.

Wer daher früh genug nach ethischen Lösungen sucht, wird vielleicht kurzfristig auf Marge verzichten müssen, ist aber langfristig in einer immer komplexer werdenden Welt besser aufgestellt – und kann im Zweifel sogar von den Skandalen und Problemen der Konkurrenten profitieren. Damit wird die Entwicklung ethischen Wirtschaftens absehbar sehr ähnlich der sein, die im Bereich Ökologie schon zu beobachten war. In den Worten von Professor Dierksmeier heißt das: „Ethik ist das neue Grün.“ Dass dabei unter dem Dach des Begriffes „Ethik“ im wirtschaftlichen Kontext verschiedene Dimensionen zu finden, bei denen die Entwicklung in Teilen schon weiter fortgeschritten ist, in Teilen aber auch noch in den Kinderschuhen steckt, stellt den gesamten Prozess nicht in Frage.

Weder die unternehmerische Hinwendung zu grünen Produkten noch zu ethischen Ansätzen muss dabei aus Altruismus kommen. Vielmehr ist es die marktwirtschaftlich kluge Antwort darauf, dass sie in immer mehr Feldern zum überlegenen Geschäftsmodell wird, weil die Zahl der Kunden, die aus dem Gedanken einer verantworteten Freiheit heraus darauf achtet, dass die Produkte, die sie kaufen gewisse gesundheitliche aber auch ökologische und ethische Standards erfüllen, immer weiter wächst. Um davon profitieren zu können, sollte man allerdings auch als Unternehmer nicht nur aus opportunistischen Gründen auf einen fahrenden Zug aufspringen wollen. Denn dann läuft man Gefahr, einmal mehr am Markt vorbei zu produzieren. Vielmehr muss man ethisches Denken zum eigenen und zum Unternehmensgrundsatz erheben, um den neuen Markt richtig zu verstehen.

Auswendig gelerntes Wissen reicht nicht mehr aus. Der Satz von Mahatma Gandhi, man solle der Wandel in der Welt sein, den man selber sucht, bekommt in diesem Zusammenhang einen neuen Klang. Wer gar nicht sucht oder zu lange wartet, wird den ethischen Wandel nicht gestalten können. Wer sich aber rechtzeitig auf die Suche nach Formen eines im finanziellen wie moralischen Sinne anständigen Wirtschaftens macht, wird feststellen: Er ist schon lange nicht mehr alleine. Diese Einbindung in eine stetig wachsende Gruppe von Menschen, die ähnlich denken, macht es einfacher, durchzuhalten und der Effekt wird gleichzeitig immer größer. Die Zukunft hat längst begonnen.

Dieser Text wurde für den Essaywettbewerb 2013 des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes (HWWI) eingereicht und dort prämiert. Auf der dazugehörigen Seite wurde er auch zunächst veröffentlicht.

Samstag, 8. März 2014

Was gesagt werden musste...

Zum Einstieg in diese Wortmeldung mache ich mich zunächst einmal digital nackig, auch wenn die NSA vermutlich sowieso längst Bescheid weiß: Ich bin vom Stammbaum her so deutsch, wie man nur deutsch sein kann, in einer Familie mit Vater und Mutter aufgewachsen, heterosexuell und kann mit dem klassischen Familienbild für mich recht viel anfangen. So weit, so wenig skandalös. Doch nun kommt die eigentliche Überraschung dieser Tage: Ich wurde bisher deswegen weder attackiert noch habe ich das Gefühl, dass mir irgendwer etwas wegnehmen oder gar verbieten will. Keine Heterofeindlichkeit, keine Deutschenfeindlichkeit, keine Familienfeindlichkeit – nirgends!

Und jetzt lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster (und hätte nicht gedacht, dass mir diese Selbstverständlichkeiten nochmal einen Text wert sein müssen):

Ich finde es richtig, dass Homosexuelle gleiche Rechte haben, wie Heterosexuelle – und wüsste nicht, was ich dadurch verlieren sollte. Ich finde es richtig, dass darauf hingewirkt wird, dass Menschen nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder aus irgendwelchen anderen Gründen diskriminiert werden – so steht es immerhin im Grundgesetz. Und ich finde das sogar auch für mich selbst gut, weil eine allgemeine Offenheit in diesen Fragen die Wahrscheinlichkeit senkt, dass ich selbst oder vielleicht eines meiner Kinder eines Tages Opfer von Diskriminierung wird – aus welchen Gründen auch immer.

Ich finde es auch in Ordnung, wenn sich Menschen der vorhandenen technischen Möglichkeiten bedienen, um Kinder zu bekommen. Und ich halte es für abwegig, das jemandem vorzuenthalten, der eine andere sexuelle Orientierung hat, als ich. Wo sind wir denn, dass wir wieder über Gesinnungstests nachdenken?
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein aufgeklärter Mensch irgendeine sinnvolle Begründung finden kann, einem Menschen der mithilfe künstlicher Befruchtung entstanden ist, abzusprechen, dass er ein vollwertiger Teil dieser Gesellschaft ist. Das ist doch genauso absurd, wie dass man früher Kinder die aus unehelichem Sex, Vergewaltigungen oder etwa aus Verbindungen mit Besatzungssoldaten entstanden, deshalb ausgrenzte. Was muss man für ein Mensch sein, sich derart in Dinge einmischen zu wollen, die auf das eigene Leben überhaupt keinen Einfluss haben?

Und in diesem Kontext finde ich es übrigens auch richtig, dass man denen, die ihre absurden Thesen unter dem Mäntelchen der Freiheit und mit einem „Man wird doch noch sagen dürfen…“ in den öffentlichen Diskurs werfen, den Spiegel vorhalten darf: Wie kannst Du Freiheit für Dich in Anspruch nehmen, um anderer Menschen Freiheit in Frage zu stellen, sie zu kränken, ihnen gar das Menschsein abzusprechen – und den Gegenwind dann als „Tugendterror“ oder „Political Correctness“ oder „Gutmenschentum“ zu diskreditieren versuchen? Genau die Regeln, die Dir erlauben, Dich zu äußern – und sei es auch noch so großer geistiger Dünnschiss – erlauben es mir, dem zu widersprechen. Und auch so energisch, wie ich es für richtig halte.

Ich verfolge die Diskussion der letzten Tage, Monate, ja schon Jahre mit einem gewissen Erstaunen. Was verliert einer, wenn ein anderer nicht mehr diskriminiert wird? Was verliert man, wenn in unserer Gesellschaft weniger Menschen Angst haben müssen, so zu leben, wie sie es sich wünschen? Es scheinen mir nicht die, die sich gerade auf die Vielfalt berufen, die sie schützen, sondern die, die von diesen angegriffen werden, weil sie sie zu leben versuchen.

Ich wiederhole es gerne noch einmal: Ich habe noch nicht einmal das Gefühl gehabt, dass ich durch die Emanzipation, die Gleichstellung von Homosexuellen oder die Anwesenheit von Menschen, die nicht in der klassischen Ehe beim nächtlichen Geschlechtsakt zwischen Ehemann und –frau entstanden sind irgendetwas verloren hätte. Im Gegenteil: ich profitiere jeden Tag von der Vielfalt um mich herum. Und ich bin nicht bereit, auch nur ein bisschen davon auf dem Altar derer zu opfern, die das nicht verstehen. Das musste mal gesagt werden…

Sonntag, 23. Februar 2014

Buchprojekt - New Business Order

Nach über zwei Jahren, die seit der ersten Idee vergangen sind, ist es heute endlich so weit: Mit "New Business Order" erscheint mein neues Buchprojekt, an dem ich gemeinsam mit meiner Co-Autorin Lena Schiller Clausen hart und mit viel Herzblut gearbeitet habe im renommierten Hanser Verlag. An dieser Stelle will ich einmal einen ganz subjektiven Blick auf das Projekt werfen.

Angefangen hat alles vor etwa drei Jahren, als ich noch in meinem vorherigen Job im Rahmen eines Projektes die Möglichkeiten ausgelotet habe, wie man einen großen Konzern an der Peripherie öffnen kann. Ziel war, neue Arbeitsformen, neue Formen der Kollaboration auszuprobieren und neue Impulse zu finden. Meine heutige Co-Autorin Lena war damals meine Ansprechpartnerin als Geschäftsführerin des betahaus in Hamburg, dem Coworking Space, den wir uns als Projektpartner ausgesucht hatten.

Schon während des gemeinsamen Projektes merkten wir nicht nur, dass wir gut zusammenarbeiten konnten, sondern auch, dass das, was wir taten, für viele andere Menschen ebenso relevant war. Immer wieder führten wir Gespräche, mit Vertretern etablierter Unternehmen wie mit Gründern, und stellten fest, dass es eine große Unsicherheit darüber gab, wie Zusammenarbeit, wie Wirtschaft in Zukunft aussehen würde. Immer wieder spürten wir eine grundsätzliche Offenheit, Veränderungen anzunehmen, gepaart mit einem Mangel an Wissen und Möglichkeiten, sprich: Unsicherheit darüber, wie das gehen sollte. Diese Erkenntnis war letztlich der Impuls, der uns dazu brachte, vor über zwei Jahren die Arbeit an "New Business Order" aufzunehmen...

Um was geht es uns konkret? Der Untertitel "Wie Start-ups Wirtschaft und Gesellschaft verändern" verrät schon einiges: Es geht uns darum, die Prinzipien, mit denen junge Unternehmen erfolgreich bestehende Marktstrukturen durcheinander wirbeln, zu isolieren, zu beschreiben und damit zu helfen, die Hintergründe zu verstehen. Letzteres ist besonders wichtig, weil es ohne Verständnis schwer ist, für die eigene Situation die richtigen Ableitungen zu treffen. Aber genau darum geht es uns eigentlich: Wir wollen Ideen geben, wie man die Prinzipien anwendbar macht, egal ob man nun selbst gegründet hat, Geschäftsführer eines Mittelständlers ist oder in einem Großkonzern für Personal oder Innovation zuständig ist.

Damit wir uns nicht im luftleeren Raum bewegen (und damit niemand einfach sagen kann "Das gilt ja für uns nicht, wir sind ja ganz anders"), haben wir unsere Überzeugungen und Erkenntnisse mit etwa 30 Unternehmensbeispielen angereichert - und uns dabei gezielt von den "üblichen Verdächtigen" wie Google oder Apple ferngehalten. Uns war viel mehr wichtig, "normale" Unternehmen zu finden, die die Dinge ähnlich wie Startups machen - und damit beweisen, dass es wirklich geht. Dabei sind wir auf einen metallverarbeitenden Betrieb aus der Bodenseeregion ebenso gestoßen wie auf einen Computergroßhändler aus Westfalen, auf einen tomatenverarbeitenden Konzern aus Amerika ebenso wie auf einen Mischkonzern aus Brasilien.

Unter den Startups, die wir beleuchtet haben, befinden sich bekannte Namen wie Automattic/Wordpress, Protonet (das in der Zwischenzeit zum Startup des Jahres 2013 gewählt wurde) oder Coffee Circle, aber auch viele eher unbekannte wie finmar oder Sugru. Und keine Frage: Wir haben selbst in der Recherchephase noch viel gelernt, was weit über das hinausging, was uns dazu brachte, die Arbeit am Buch zu beginnen. Wie waren immer wieder selbst überrascht - und begeistert. Und genau das lässt uns auch glauben, dass uns ein wertvolles Buch gelungen ist, dessen 316 Seiten auch anderen an der Zukunft der Arbeit, der Wirtschaft, der Gesellschaft Interessierten eine spannende Lektüre sein kann.

Ab sofort werden Lena und ich überall im deutschsprachigen Raum unterwegs sein, um unser Werk vorzustellen und die Gedanken zu diskutieren. Eine immer aktuelle Übersicht über die Termine gibt es hier. Über Anfragen von Veranstaltern, Unternehmen, Verbänden, Coworking-Spaces, Initiativen freuen wir uns aber natürlich weiterhin... Wer dauernd auf dem Laufenden bleiben und mitdiskutieren will, kann das ab sofort schon über die Facebook-Page. Eine Homepage ist in Arbeit.

Zum Abschluss noch ein paar warme Worte, die nicht vergessen werden sollten. Großer Dank gilt heute schon den unzähligen Menschen, die sich Zeit genommen haben, um uns Dinge zu erklären und mit uns zu diskutieren, die uns auf spannende Quellen oder Kontakte hingewiesen haben oder mit dem kritischen Blick auf den Text zur Qualitätssicherung beigetragen haben. Ganz besonders herzlich wollen wir dem Bureau Hardy Seiler danken, das für das unorthodoxe, anspruchsvolle und hoffentlich auch ansprechende Cover des Buches verantwortlich zeichnet.

Für uns ist "New Business Order" aus vielen verschiedenen Gründen ein ganz wichtiges Projekt. Die Zeit des Wartens ist vorbei, ab sofort geht es rund. Wir sind sehr gespannt auf das erste Feedback...

Freitag, 14. Februar 2014

Keine Sternstunde der Demokratie

Es ist einige Wochen her, seitdem der Aufruf der Schriftsteller gegen die Massenüberwachung der Bürger erschien. Inzwischen sind weitere Details der Überwachung durch die NSA bekannt geworden – am Schweigen der Kanzlerin zum Thema hat das allerdings bisher nichts geändert. Die Grünen haben den Aufruf zum Anlass genommen, einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter“ in den Bundestag einzubringen. Dazu fand heute die erste Lesung statt, zu der ich mich gemeinsam mit etwa 20 Autorenkolleginnen und –kollegen im Bundestag einfand. Und es stellte sich heraus: Alles ist noch viel schlimmer, als gedacht.

Natürlich kamen im Rahmen der Debatte keine neuen, erschreckenden Details heraus. Dazu ist eine Bundestagsdebatte auch nur in den seltensten Fällen da. Vielmehr konnte man in den über anderthalb Stunden auch ohne ausgefeilte Spionagetechnik einen recht guten Blick in die Köpfe der Abgeordneten werfen. Und gerade im Fall der Union muss man konstatieren: Jeder Zombie in einem Horrorfilm zeigt mehr Reflektionsvermögen, als konservative MdBs bei Fragen der Bürgerrechte.

„Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei!“ – um diesen Satz des Aufrufs strickte Katrin Göring-Eckardt ihre Rede und sparte nicht an berechtigter Kritik an der Bundesregierung, insbesondere auch an der Kanzlerin selbst. Die Linken schlugen in dieselbe Kerbe, nutzten die Debatte allerdings, um auch ihr sonstiges Programm ins Spiel zu bringen – was in weiten Teilen nur am Rande mit dem eigentlichen Thema zu tun hatte. Die SPD wiederum rührte zwar bei den Reden der Opposition wie üblich keinen Finger – in verschiedenen Reden konnte man allerdings herauslesen, dass sie es manches Mal gerne getan hätten und dass man sich bei diesem Thema nur mit einigen Bauchschmerzen an der Seite der Union findet. Bei dieser wiederum herrscht eine dumm-dreiste Schmerzbefreitheit, gepaart mit einer unglaublichen Unkenntnis zum Thema, dass es einem fast schon körperliche Schmerzen bereiten musste.

Manche Einlassung konnte noch unter „Comedy“ durchgehen. So riet die Unionsabgeordnete Nina Warken (Jahrgang 1979, auch wenn sie sich anhörte, wie ihr eigener Großvater) etwa dazu, sichere Passwörter zu benutzen, denn damit sei schon ein gutes Stück des Problems gelöst. Die NSA-Abhörspezialisten dürften sich die Bäuche gehalten haben vor Lachen, ebenso wie das Publikum auf der Besuchertribüne. Ein Kollege sekundierte, man hätte inzwischen einige wichtige Schritte eingeleitet, unter anderem würde man die Stiftung Warentest im Kampf gegen Datenmissbrauch stärken. Google, Facebook, die NSA und Barack Obama dürften die Knie schlottern.

An anderen Stellen konnte man allerdings noch nicht einmal mehr lachen. So wurde von den Unionsabgeordneten immer wieder die Eigenverantwortung der Bürger als maßgeblich angesehen, Daten nicht ins Netz zu stellen. Dass es der Staat ist, der auch in anderen Lebensbereichen sicherstellen muss, dass Gesetze eingehalten werden, scheint für die Union im Netz nicht zu gelten. Im übertragenden Sinne rufen ihre Mitglieder daher dazu auf, sich mit Waffen auszurüsten, weil man nicht mehr in der Lage ist, Raubüberfälle auf der Straße zu vermeiden. Dass gleichzeitig immer wieder der Aspekt Sicherheit quasi als Legitimation für jegliches Abhören und Überwachen unbescholtener Bürger angebracht wurde, lässt nur einen Schluss zu: bei den Konservativen begrüßt man das Tun der NSA sogar, auch wenn man natürlich öffentlich das Gegenteil behauptet.

Insgesamt fiel das unglaublich niedrige Argumentationsniveau der Unionsabgeordneten auf. Das hatte wohl auch damit zu tun, dass ein Großteil der Debattenteilnehmer aus den Reihen der Großen Koalition in dieser wohl als nicht besonders wichtig angesehenen Aussprache ihre Jungfernrede im Bundestag halten durften. Dass die Regierungsbank so gut wie leer war, überrascht da fast schon nicht mehr. Es steht zu vermuten, dass vor allem die Abgeordneten aus der Union von ihren eigenen Regierungsmitgliedern dumm gehalten werden. Dass sie sich das unwidersprochen gefallen lassen und sogar noch glauben, die Regierung verteidigen zu müssen, lässt nicht nur erahnen, wer in der Union den Weg durch die Institutionen schafft, sondern auch, dass an dem Gefühl, dass die Trennung von Exekutive und Legislative inzwischen nur noch auf dem Papier besteht, durchaus etwas dran ist.


Der Spaß, das wurde heute wieder deutlich, ist endgültig vorbei. Es ist Zeit, den Feinden der Freiheit endlich die Daumenschrauben zu zeigen. Vor diesem Hintergrund ist jede Stimme für die Union bei der kommenden Europawahl eine Schande für das Selbstbewusstsein eines jeden Bürgers. Wer die Freiheit auf dem Altar von Sicherheit und Stabilität opfert, wird alsbald aufwachen und alles verloren haben. So weit dürfen wir es wirklich nicht kommen lassen…