Donnerstag, 29. März 2012

Ein paar Gedanken zu Schlecker...

Nun ist es also amtlich: Es wird keine Auffanggesellschaft für die Schlecker-Mitarbeiterinnen geben, die Kündigungen sind verschickt. Die Emotionen schlagen hoch, man ist sich einig, dass die FDP die Entscheidung verantwortet – und je nach Blickwinkel drischt man auf sie ein oder lobt sie dafür. Dabei sollte man in der Bewertung insgesamt vorsichtig sein, denn am Ende weiß man eben nicht, was genau hinter den Kulissen diskutiert wurde und was am Ende den Ausschlag gab. Von überzeugenden Sachargumenten bis hin zu reiner Parteitaktik ist alles möglich. Unabhängig davon möchte ich an dieser Stelle einmal meine Gedanken zu dem Thema sortieren. 

Zunächst einmal habe ich das Gefühl, dass (bewusst?) in der Öffentlichkeit ein falsches Bild davon gezeichnet wurde, was eine Auffanggesellschaft ist bzw. leisten kann. Klar ist: mit der Einrichtung einer solchen ist noch kein Problem gelöst, sondern höchstens Zeit gekauft. Menschen, die jetzt nicht vermittelbar sind, werden es aller Voraussicht auch am Ende der Laufzeit der Gesellschaft nicht sein. Menschen, die am Ende vermittelbar sind, sind es vermutlich auch jetzt schon. Sie hätten darüber hinaus von der Auffanggesellschaft wohl eher nicht profitiert, wie im Hamburger Abendblatt ausgeführt wurde, was zu einer Negativselektion geführt hätte: Die Vermittelbaren hätten geklagt, die nicht Vermittelbaren wären mit Steuergeld für sechs Monate aufgefangen worden, um dann trotzdem in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. 

Die Artikel, die die rein emotionale Ebene verlassen haben, kommen mehrheitlich zu der Erkenntnis, dass es für die Mitarbeiter selbst gar nicht besonders attraktiv sein könnte, in die Auffanggesellschaft zu wechseln – was diese vielleicht selbst noch gar nicht verstanden haben. Vor diesem Hintergrund darf man durchaus die Frage stellen: „Wem nützt es?“ Ganz klar ist: „Die Suche nach einem Investor wird jetzt schwieriger“ – aber was steckt eigentlich dahinter? Der Insolvenzverwalter hat natürlich ein Interesse daran, möglichst viele Probleme des Unternehmens auszugliedern. Die Auffanggesellschaft sollte so etwas Ähnliches werden, wie eine „Bad Bank“ für Schlecker: Die Risiken werden ausgelagert, um einen Einstieg für Investoren attraktiver und dem Insolvenzverwalter den Job einfacher zu machen. Die jetzt anstehenden Kündigungsschutzklagen – und die damit einhergehenden Risiken – sind aber schlicht Teil des Unternehmens Schlecker. Das erhöht das Risiko für Investoren – aber es senkt vermutlich auch den Kaufpreis. Lagert man es aus, zahlt der Steuerzahler die Risikoprämie für Investoren. Das kann ordnungspolitisch nicht richtig sein, sagt mir mein Bauchgefühl. 

Ein weiteres Argument ist das, dass schon bei der (nur vorübergehenden) Rettung von Holzmann in der Schröder-Ära oder der Diskussion rund um Opel richtig war: Es kann nicht sein, dass der Staat dort eingreift, wo es publikumswirksam möglich ist (also bei den großen Namen) und wegschaut, wenn das nicht der Fall ist (also bei kleinen Firmen). Bei Schlecker wäre die Transfergesellschaft nach aktuellen Angaben nur noch für ca. 10.000 Mitarbeiterinnen in Frage gekommen, weil über 1.000 das Unternehmen schon freiwillig verlassen haben (vermutlich mit einem neuen Job in der Tasche). Bei zwischen 30.000 und 40.000 Unternehmenspleiten pro Jahr sind insgesamt deutlich mehr Menschen betroffen, als bei der Schlecker-Pleite, die in aller Regel auch nicht in staatlich unterstützten Auffanggesellschaften, sondern im Aufgabenbereich der Bundesagentur für Arbeit landen. Es kann nicht sein, dass Mitarbeiter großer Unternehmen gleicher sind, als andere – das wäre eine unbegründbare Schieflage. 

Dass allerdings das Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen trotzdem eine nicht unerhebliche Störung ausmacht, und damit wären wir wieder auf der emotionalen Ebene, kann ich bestens verstehen. Warum, so mag man sich fragen, sind „Bad Banks“ für Banken legitim, für Drogeriemärkte allerdings nicht? Wie kann es sein, dass für angeschlagene Banken, Staaten und Bundesländer Milliarden zur Verfügung stehen, für die 11.000 Mitarbeiterinnen von Schlecker aber noch nicht einmal 71 Millionen Euro? Die Gegenüberstellung der Geld scheffelnden Banker einerseits, denen geholfen wird und der sowieso schon darbenden alleinerziehenden Schlecker-Verkäuferin, die nun auf der Straße steht, ist vermutlich das stärkste Bild, das die durchaus bereits vorhandene Schieflage in unserer sozialen Marktwirtschaft verdeutlicht. Es mag ordnungspolitisch richtig gewesen sein, kein Geld für eine Auffanggesellschaft zur Verfügung stellen. Moralisch richtig wird es aber erst, wenn nun mit Nachdruck daran gearbeitet, dass die beschriebene Schieflage behoben wird. Eine große Aufgabe, unfraglich. Aber es wird Zeit, dass sie angenommen wird. Da muss die FDP nun ebenso Rückgrat zeigen, wie sie das in den letzten Tagen bei Schlecker getan hat.

2 Kommentare:

  1. Danke für den treffenden Artikel. Ich denke der Hauptgrund für Bad Banks, aber nicht für "Bad Drugstores" ist wohl die Systemrelevanz der großen Banken. Schlecker ist es nicht.
    Wobei sich natürlich sofort die Frage stellt, warum es zugelassen wurde, dass Banken systemrelevant wurden und wie man es in Zukunft verhindert. Aber das ist ein anderes Thema.
    Ordnungspolitisch wäre es richtig gewesen, die Banken pleite gehen zu lassen. Realpolitisch aber nicht. Von daher ist der Vergleich Schlecker-Frau gegen Bank-Gierhals zwar nachvollziehbar, aber dennoch falsch.

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  2. Emotional ist der nachvollziehbar, das will ich sagen. Das kann man dann richtig oder falsch finden, auf jeden Fall darf es nicht Grundlage für Politik sein.

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