Bescherung, das passt bestens zu Weihnachten. Allerdings bekommt der Begriff mit Blick auf die Fußball-Bundesliga dieses Jahr eine ganz andere Bedeutung. Dort nämlich sieht man derzeit, wie man sich selbst Geschenke macht (das war eigentlich mal anders gemeint) und anderen dabei ein frustrierendes und arbeitsames Weihnachtsfest beschert. Der schwarze Weihnachtsengel ist in diesem Fall der VWL Wolfsburg, jener Retortenclub aus der niedersächsischen Provinz, der sich aufgrund seines besonderen Status nicht an die Regeln des "Financial Fair-Play" halten muss, auf das der deutsche Fußball doch so stolz ist.
Wolfsburg feuert seit Jahren, unterstützt vom hochspendablen VW-Konzern, Geld ohne Ende in seinen Kader, fand sich aber seit der Meisterschaft 2009 regelmäßig im Abstiegskampf wieder. Nun scheint man erkannt zu haben, dass es die Spieler alleine nicht sind, die einen Verein erfolgreich und beliebt machen. Pünktlich zu Weihnachten schrieb man also einen Wunschzettel, auf dem ein kompetenter und sympathischer Manager und Trainer standen. Weil diejenigen Kandidaten, die zur Hälfte der Saison verfügbar sind, vielleicht sympathisch, meistens aber nicht erfolgreich sind, bescherte man sich eben selbst, indem man sich bei den direkten Mitkonkurrenten Werder Bremen und 1. FC Nürnberg bediente. Von Bremen kam Manager Klaus Allofs, von Nürnberg nun gestern Trainer Dierter Hecking.
Beide bringen ordentliche Referenzen mit, haben sie doch bewiesen, dass sie aus relativ wenig relativ viel machen können, und zwar mit einer gewissen Kontinuität. Während Wolfsburg letztes Jahr mit einem geschätzten Lizenzspieler-Etat von 90 Millionen und dieses Jahr mit 60 Millionen arbeiten durfte, stagnierte der 1. FC Nürnberg im Bereich um 20 Millionen Euro. Die Unterschiede in der Tabelle machten allerdings letztes wie dieses Jahr gerade einmal zwei bzw. einen Punkt aus, was natürlich der Arbeit vom Nürnberger Sportdirektor Martin Bader, nicht zuletzt aber auch der von Dieter Hecking zu verdanken war.
Selbst wenn es emotional schwer fällt: Hecking und Allofs möchte ich an dieser Stelle noch nicht einmal einen Vorwurf machen, auch wenn Hecking noch am 28. August in der Sendung "Doppelpaß" formuliert hatte:
"Ein
Angebot [vom VFL Wolfsburg] würde ich mir nicht anhören. Ich habe mit dem 1. FC Nürnberg
einen tollen Arbeitgeber. Ich merke, der Verein steht hinter mir. Meine
Aufgabe ist es, den Club ins sichere Mittelfeld zu führen. Und deswegen
braucht die Anfrage an mich nicht gestellt werden."
Es ist auch ein Problem der Clubs, dass sich Trainer, Manager und auch Spieler inzwischen nicht mehr gezwungen sehen, eine allzu große Loyalität gegenüber dem eigenen Arbeitgeber an den Tag zu legen, weil sie allenthalben zu sehen und zu spüren bekommen, dass die Loyalitätsversprechen ihnen gegenüber in den meisten Fällen auch nur eine kurze Halbwertszeit haben. Wie oft durfte man (auch und gerade bei 1. FC Nürnberg) in der Vergangenheit erleben, dass der Trainer das erste Opfer einer sportlichen Durststrecke wurde, auch wenn man ihm kurz zuvor noch versprochen hatte, dass er die Zeit bekommt, langfristig etwas aufzubauen? Hecking ist nicht vertragsbrüchig geworden, denn er hatte eine Ausstiegsklausel im Vertrag. Er hat fünf Kinder in der Nähe von Wolfsburg, die er selten sieht. Und nicht zuletzt hat der VWL Wolfsburg eben eine Finanzkraft, die sich auch in seinem Gehalt widerspiegeln wird; von einer Verdopplung gegenüber den 900.000 Euro von Nürnberg ist die Rede.
Jeder sollte sich selbst ehrlich fragen, ob er in einer solchen Situation ablehnen würde. Aber das ist doch eigentlich gar nicht das Problem. Vielmehr sollten sich DFB und DFL fragen, welche Außenwirkung sie mit ihrem Premiumprodukt Fußball-Bundesliga erreichen wollen. Ich behaupte, dass der derzeitige Erfolg der Bundesliga auch und gerade in einer Mischung aus seriösem Wirtschaften (gegenüber spanischen, italienischen und englischen Clubs) und dem Erhalt einer Möglichkeit der Identifikation mit den Vereinen und ihren Protagonisten zu tun hat. Gerade dort, wo man sich in den letzten Jahren verhoben hat (Dortmund, Kaiserlautern, auch Nürnberg) setzt man nun wieder erfolgreich auf junge, hungrige Spieler, in Teilen auch noch aus der jeweiligen Region oder sogar aus der eigenen Fan-Basis, versucht diese langfristig zu binden und damit ein erfolgreiches Team aufzubauen, dass über Identifikation auch Stadien füllt und den Merchandising-Absatz antreibt. Auch Charakterköpfe als Trainer, allen voran die Klopps, Tuchels oder Streichs dieses Landes sorgen für Sympathien und Identifikation. Wolfsburg und Hoffenheim taten über Jahre das genaue Gegenteil. Das sei ihnen unbenommen, jeder ist ja seines eigenen Glückes Schmied. Wenn dann allerdings Wolfsburg mit seiner überlegenen Finanzkraft nicht mehr nur Spieler, sondern auch Manager und Trainer zusammenkaufen kann, wie es ihm beliebt, greift es gerade unter der Saison maßgeblich in die erfolgreichen und langfristig angelegten Konzepte der Konkurrenz ein - und beschädigt nicht nur den eigenen Ruf, sondern auch den des Produkts Fußball-Bundesliga insgesamt.
Die Verantwortlichen sollten sich daher gut überlegen, inwieweit sie das Regelwerk ändern, um solcherlei "Transfers" in Zukunft zu unterbinden. Die Verantwortung auf den einzelnen Spieler, Trainer oder Manager und dessen Moral zu verschieben ist scheinheilig. Es braucht vielmehr Regeln, wie etwa Wechselfristen für Trainer, Wettbewerbsverbote für eine gewisse Zeit (natürlich nicht für den Fall, dass man gekündigt wird) oder auch das Verbot von Wechseln innerhalb der Saison. Wenn das Karussel sich immer weiter dreht und das letzte bisschen Historie, Identifikation, Begeisterung und Überzeugung auf dem Altar des Geldes geopfert wird, sieht es in deutschen Stadien bald so aus, wie in italienischen. Das kann ja wohl niemand wollen...
Einen letzten Weihnachtswunsch hätte ich dann übrigens doch noch: Ich hoffe auf eine katastrophale Rückserie des VFL Wolfsburg, der am Ende in der Relegation endet (Fürth und Hoffenheim dürfen gerne direkt absteigen ;-)), in der dann das Geld aus Wolfsburg gegen das Herzblut aus Braunschweig (die Städte trennen nur 34 Kilometer) verliert. Beim Zuschauerschnitt ist der Klassenunterschied sowieso nicht zu sehen... Das wäre doch mal eine Bescherung für die Bundesliga.
Einen letzten Weihnachtswunsch hätte ich dann übrigens doch noch: Ich hoffe auf eine katastrophale Rückserie des VFL Wolfsburg, der am Ende in der Relegation endet (Fürth und Hoffenheim dürfen gerne direkt absteigen ;-)), in der dann das Geld aus Wolfsburg gegen das Herzblut aus Braunschweig (die Städte trennen nur 34 Kilometer) verliert. Beim Zuschauerschnitt ist der Klassenunterschied sowieso nicht zu sehen... Das wäre doch mal eine Bescherung für die Bundesliga.