Dienstag, 27. Juli 2010

Charta "Neue Teilhabe" - Entwurf

Teilhabe ist nicht alles, aber ohne Teilhabe ist in einer Demokratie alles nichts. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen sich die Welt immer schneller zu drehen scheint und die Gesellschaft sich neu finden muss. Die Politik hat sich über Jahrzehnte immer weitergehender Entscheidungen bemächtigt, die die Bürger gleichzeitig nur allzu gerne abgetreten haben. Doch der Wind dreht sich. Die Bürger fordern wieder mehr Teilhabe ein – und die Parteiendemokratie scheint dem im Moment noch überfordert zuzuschauen.

Der Graben zwischen Regierenden und Regierten wird immer tiefer. Daran haben beide Seiten kein Interesse – und das muss auch nicht so sein! Daher gilt es nun die Instrumente der Entscheidungsfindung neu zu definieren und die Kompetenzen neu zu verteilen. Wenn dies richtig geschieht, gewinnen alle. Mehr direkte Demokratie – wie sie derzeit an vielen Stellen diskutiert wird – ist dafür wichtig. Aber sie ist nicht die Antwort auf alle Fragen. Das Thema „Neue Teilhabe“ muss nach unserer Überzeugung viel umfassender diskutiert werden.

Freiheit gibt es nicht ohne Verantwortung. Und diese muss wieder möglichst breit gestreut werden; sinnvoll und durchdacht. Dem müssen unserer Meinung nach folgende Erkenntnisse zugrundeliegen:


1. Miteinander statt gegeneinander

Menschen haben schwierige Zeiten immer dann am besten überwunden, wenn sie zusammengestanden und ihre Kraft und Intelligenz im Sinne des Gemeinwohls gebündelt haben. Derzeit scheinen allerdings die Unterschiede im Vordergrund zu stehen; viele Bevölkerungsgruppen fremdeln untereinander ebenso, wie sie dies gemeinsam gegenüber der politischen Klasse tun. Dieser Zustand ist für alle Beteiligten gleichermaßen unbefriedigend und es macht keinen Sinn, nach den alleinigen Schuldigen dafür zu suchen. Denn was man den einen vorwirft, haben die anderen erst durch Unterlassung möglich gemacht. Oder anderes gesagt: wenn sich die Politik mit der Übernahme von Verantwortung übernommen hat, dann heißt das gleichzeitig, dass die Bürger über Jahrzehnte Verantwortung freiwillig und ohne Murren abgegeben haben. Das lässt sich im Nachhinein nicht ungeschehen, wohl aber besser machen. Dafür muss eine Atmosphäre geschaffen werden, in denen nicht mehr das Gefühl herrscht, dass es „die da oben“ sowieso nicht interessiert, was „wir hier unten“ denken. Denn so ist es nicht. Die Sprachlosigkeit haben beide Seiten zu verantworten. Teilhabe darf man nicht nur dann einfordern, wenn einem etwas nicht passt. Nur dann können auch Politiker die Bürger wieder als Partner und bürgerschaftliches Engagement außerhalb von Parteien als Gewinn und nicht als Bedrohung ansehen. Wer nur miteinander spricht, wenn er sich streiten will oder auf der Suche nach Wählerstimmung ist, braucht sich nicht wundern, wenn das Klima vergiftet ist. Das zu ändern und das Gegeneinander durch ein Miteinander zu ersetzen ist Aufgabe von allen zu gleichen Teilen!


2. Staatsbürger statt Steuerbürger und Untertan

Voraussetzung für eine Verbreiterung der demokratischen Basis ist ein neues Verständnis vom Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Derzeit herrscht das Bild des Steuerbürgers vor – sowohl aus dem Blickwinkel der Regierenden, als auch im Selbstverständnis der Regierten selbst: Wer Steuern zahlt, hat sein Soll als Bürger erfüllt und ist aus der Verantwortung entlassen. Wer sich darüber hinaus einbringen will, dem stehen die Feuerwehr, der Sportverein und vielleicht noch die Kommunalpolitik offen. Doch bei diesem Denkansatz handelt es sich um ein phänomenales Missverständnis auf beiden Seiten. Wenn der Einzelne seine Zeit und Kompetenz nur für sich nutzt, gehen der Gesellschaft wertvolle und nicht in Geld aufzuwiegende Ressourcen verloren. Niemand darf sich aus der Verantwortung für die Gestaltung seiner Umwelt freikaufen – gleichzeitig müssen aber auch Möglichkeiten der Teilhabe geschaffen werden. Dafür braucht es eine Rückbesinnung auf den Begriff des mündigen Staatsbürgers, der durch verantwortliche Ausübung seiner Rechte und Pflichten diesen Staat trägt. Die Expertise und die Arbeitskraft, die Kreativität und die Zeit der Bürger trägt mindestens genauso viel zur Stabilisierung der Demokratie bei, wie die von ihnen geleisteten Abgaben. Bricht einer der beiden Pfeiler weg, kann auch eine leichte Hanglage oder ein etwas schärferer Windstoß bedrohlich werden. Dies zu verhindern geht alle gleichermaßen an!


3. Richtige Entscheidungen auf der richtigen Ebene

Um richtige Entscheidungen treffen zu können, müssen nicht nur die Entscheidungsträger entsprechend qualifiziert sein. Es geht vielmehr auch darum, die richtige Ebene für jede zu treffende Entscheidung zu definieren, um eine möglichst große Nähe der Entscheider zum Problem zu garantieren. Das Subsidiaritätsprinzip beschreibt genau diesen Ansatz – und geht doch nicht weit genug. Denn es grenzt systematisch die Bürger aus. Der Föderalismus treibt dabei seine ganz eigenen Blüten. Warum soll es nicht möglich sein, über eine Frage wie die des Nichtraucherschutzes bundesweit abzustimmen? Wenn Politiker es nicht schaffen, eine gemeinsame Antwort auf an allen Stellen gleichermaßen relevante Fragestellungen zu geben, wäre es Zeit, das Volk entscheiden zu lassen. Das sollte nicht als Niederlage der Politik verstanden werden; vielmehr sollte akzeptiert werden, dass nicht alle politischen Entscheidungen gleichzeitig auch parteipolitisch beantwortet werden können und müssen. Nicht auf alle Fragen kann es eine klare Antwort geben, welche Linie denn nun liberal, grün, sozial- oder christdemokratisch ist. Das ist auch keine Schande und so lange kein Problem, wie die Parteien sich nicht darauf versteifen, in solchen Themen Duftmarken setzen zu wollen. Freigegebene Abstimmungen in den Parlamenten als erste und Volksentscheide als zweite Stufe der Delegation solcher Entscheidungen in Richtung der Bürger würde nicht nur diesen das Gefühl geben, ernst genommen zu werden. Es würde auch massiv Druck von den Parteien nehmen und ihnen die Möglichkeit geben, sich auf die für sie relevanten (partei-)politischen Fragen zu konzentrieren.


4. Repräsentativ wenn nötig, direkt wenn sinnvoll und möglich

Die Frage zu beantworten, welche Themen im Rahmen von Volksentscheiden entschieden werden sollten, ist sicher eine der schwierigsten Aufgaben. Niemand sollte in direkter Demokratie den Heilsbringer für alles sehen; je komplexer die Materie, desto schwieriger wird eine fundierte Entscheidung durch die große Masse. Gleichzeitig dürfen die Hürden für Volksentscheide allerdings auch nicht unüberwindbar wirken. In manchen Bundesländern liegen die zu erfüllenden Quoren so hoch, dass Themen, die nicht für alle Bürger wichtig und kritisch erscheinen, kaum Chancen haben, die Hürde zur Verbindlichkeit zu überschreiten. Die Begründung für hohe Quoren läuft da ins Leere, wo Themen nur gewisse Teile der Bevölkerung betreffen, was eine andere Ausgangssituation ist, als bei einer allgemeinen Wahl, die alle direkt betrifft.

Auf Bundesebene gibt es die Möglichkeit von Volksentscheiden bisher – begründet mit den Erfahrungen aus der Weimarer Republik – überhaupt nicht. Ein Ansatz zur Lösung dieser Problematik könnte sein, die Quoren und/oder die Zahl der benötigten Unterschriften abzusenken bzw. Volksentscheide überhaupt zuzulassen, wenn es gleichzeitig ein Votum eines nennenswerten Anteils der Mitglieder des zuständigen Parlaments (vielleicht 25 Prozent) für einen solchen Entscheid gäbe. Gibt es dies nicht, bleiben die alten Regeln in Kraft; ein reines Initiativrecht aus dem Parlament heraus sollte es auch in Zukunft nicht geben. Dieser Ansatz würde einerseits die Minderheitenrechte stärken und andererseits verhindern, dass es zu jedem Thema eine von der Opposition initiierte Volksabstimmung gibt, die das Land unregierbar macht. Eine Erweiterung der Möglichkeiten (auch des Parlaments) hätte darüber hinaus den positiven Effekt, dass Volksentscheide nicht automatisch als „gegen die Politik“ verstanden werden, wie es in der derzeitigen Struktur fast automatisch der Fall ist.


5. Starke Parteien und starke Bürger durch neue Strukturen

Die derzeitige Vertrauenskrise zwischen Regierenden und Regierten ist auch und gerade eine Krise der Parteien. Ohne diese geht es allerdings nicht. Das bestehende System ist in seiner Struktur in erster Linie auf Stabilität ausgelegt, was am Ende dafür sorgt, dass der Rechtfertigungsdruck für diejenigen, die tatsächlich die Entscheidungen treffen, immer weiter abnimmt. Dies wird an verschiedenen Stellen sichtbar. So haben Wahlen (und damit der Bürgerwille) für Partei- und Fraktionsvorstände kaum einen direkten Effekt auf ihre Karriereplanung, da sie alle über sichere Listenplätze abgesichert sind. Um nicht abgewählt zu werden, ist es daher nur wichtig, sich innerhalb der eigenen Partei zu positionieren – die Meinung des Bürgers spielt in einem solchen System eine untergeordnete Rolle. Darüber hinaus ist die Reaktion der Wähler auf Auseinandersetzungen innerhalb einer Partei typischerweise ein Vertrauensentzug bei der nächsten Wahl, was typischerweise dazu führt, dass diejenigen, die Veränderungen einfordern, ihr Mandat verlieren, während die Bewahrer mit ihrem starken Netzwerk fest im Sattel sitzen. Diese Erfahrung führt dazu, dass Kontroversen vermieden werden und damit der notwendige Druck auf die Führung nicht zustande kommt. Vielmehr nutzt diese sogar diese Situation typischerweise für sich aus, indem sie wichtige Entscheidungen ohne Rücksprache mit der eigenen Basis trifft und diese dann erst im Nachhinein zwingt, sich der Position anzuschließen, um nicht den gemeinsamen Erfolg zu gefährden (so gesehen etwa in der SPD und bei den Grünen im Rahmen der Agenda 2010, bei der CDU in Bezug auf die Hamburger Bildungsreform und bei der FDP bei der Nominierung von Christian Wulff als Präsidentschaftskandidat).

Parteien müssen sich ändern. Das ist insofern alternativlos, als sie stellvertretend für „das System“ stehen und ihr Vertrauensverlust auch eine Gefahr für die demokratische Idee als Ganzes ist. Ansatzpunkte zur Lösung des Problems könnte die Einbindung des Bürgers (oder zumindest der Parteibasis) bei der Besetzung von Spitzenposten sein. So könnten Parteivorsitzende und Spitzenkandidaten zumindest von der Basis gewählt werden – in den Vereinigten Staaten übernehmen das die Bürger selbst im Rahmen der Vorwahlen -, was für die Kandidaten zu einer neuen Art von Zwang, sich mit deren Anliegen zu beschäftigen, führen würde. Ähnliches gilt auch für Grundsatzfragen, wie etwa ein neues Grundsatzprogramm. Mit welcher Begründung sollen darüber nur die Delegierten eines Bundesparteitages abstimmen dürfen, die zumeist auch Abgeordnete in Parlamenten sind?

Auch die Einführung von Kumulieren und Panaschieren auf überregionaler Ebene ist – bei allen bekannten Argumenten und Problemen – zumindest testweise einzuführen. Die Bürger mit der Begründung von einer echten Wahl fernzuhalten, sie wüssten nicht, was gut für sie ist, kann in einem demokratischen System nicht gelten.


6. Neue Kommunikationsmedien, neue Organisationsformen, neue Möglichkeiten

In einer Zeit, in der auch Politik mit den Angeboten von unzähligen Fernsehsendern, Social Media-Plattformen und Events aller Art um die Aufmerksamkeit der Bürger konkurriert, reicht es nicht mehr, Angebote zu formulieren und darauf zu warten, dass sie von den Bürgern gesucht, gefunden und genutzt werden. Demokratie lebt durch Teilhabe. Um diese für einen möglichst großen Teil der Bevölkerung zu gewährleisten, müssen die Transaktionskosten für jeden einzelnen interessierten Bürger minimiert werden. Im Klartext heißt das: Politik muss mit ihren Angeboten dahin, wo die Menschen sind. Neben den Marktplätzen dieser Republik ist das längst auch das Internet und hier besonders die Social Media-Plattformen wie Facebook, die VZ-Netzwerke oder wer-kennt-wen. Zwar sind die Parteien dort schon umfassend vertreten; allerdings werden die Möglichkeiten bisher bei weitem nicht ausgenutzt. Anstatt die Netzwerke nur als weiteren „Vertriebskanal“ für Pressemitteilungen und Parteipropaganda zu verstehen, sollten vielmehr die Möglichkeiten echter Diskussionen genutzt werden. Das gilt im Besonderen auch für die staatlichen Institutionen. Was spricht etwa dagegen, die Eingaben an den Petitionsausschuss nicht nur auf dessen Homepage, sondern auch auf Facebook & Co. einstellen und diskutieren zu lassen? Wir erwarten von denen, die uns in Parlamenten und Ausschüssen vertreten, dass sie sich mit diesen Themen intensiver als bisher auseinandersetzen und alle technischen Möglichkeiten nutzen, um es Bürgern einfacher zu machen, mit ihren Vertretern in Kontakt zu treten und sich dort einbringen zu können, wo über unsere gemeinsame Zukunft entschieden wird.

Auch innerhalb der Parteien muss die Art der Zusammenarbeit überdacht werden. Gerade für gut qualifizierte Experten gibt es kaum noch Anreize, sich in Parteien oder sonstigen demokratischen Institutionen zu engagieren. Damit gehen diesen – und damit der Demokratie – aber gute Ideen, potenzielle Führungspersönlichkeiten und ein Stück weit auch die breite Verankerung in der Bevölkerung verloren. Wer einen Lebensentwurf pflegt, der es ihm nicht erlaubt, langfristige Pläne in einer Region zu schmieden, muss trotzdem die Chance bekommen, sich bspw. über Projekte einzubringen – optimalerweise auch ohne Parteibuch. Parteistrukturen müssen durchlässiger werden, ohne aber die Filterfunktion gegen Sektierer aufzugeben. Das zu leisten ist nicht einfach – aber in einem ersten Schritt müsste zumindest einmal die Bereitschaft umzudenken geschaffen werden.

Freiheit geht nicht ohne Verantwortung. Verantwortung sichert Freiheit. Und eine Verantwortung vieler ist einer Verantwortung weniger in dieser Hinsicht deutlich überlegen.

Dienstag, 20. Juli 2010

Die Parteien im Sommer 2010 – verpasste Chancen oder Beginn von etwas Neuem?

Der Sommer dieses Jahres hat bis jetzt wahrlich kein namensgleiches Loch gebracht. Im Gegenteil: mit den Ausläufern der Landtagswahl in NRW (Ergebnis: rot-grüne Minderheitsregierung), dem Rücktritt von Köhler und der Wahl seines Nachfolgers (Ergebnis: das vorhergesehene), den Volksentscheiden zum Nichtraucherschutz in Bayern (Ergebnis: ja) und zur Schulreform in Hamburg (Ergebnis: nein) haben sich verschiedene Themen um den Platz an der Sonne auf den Titelblättern der Printmedien gestritten. Doch was bleibt? Wo stehen die so arg gescholtenen Parteien? Wurden Chancen verpasst? Oder sieht man Bewegung?

Ich nehme mein Fazit vorweg: Meiner Meinung nach ist die Zahl der verpassten Chancen aller Parteien – vielleicht sogar der Parteienidee in ihrer derzeitigen Form insgesamt – weit überwiegend.


Erstes Beispiel: Regierungsfindung in NRW

In NRW kommt es jetzt zu einer rot-grünen Minderheitsregierung, die sich immer wieder aufs Neue ihre Mehrheiten suchen will. Aus akademischer Sicht finde ich das ein sehr spannendes Projekt und werde es entsprechend interessiert verfolgen. Aus Bürgersicht bin ich mir noch nicht so sicher, was ich davon halten soll… Gerade bei Themen wie den Haushaltsberatungen kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, dass es Abgeordnete aus der Opposition geben wird, die diesen unterstützen. Sich damit auseinander zu setzen wäre allerdings reine Spekulation, daher will ich mich auf die Regierungsfindung fokussieren.

Ich fand die taktischen Spielereien der verschiedenen Parteien einmal mehr unwürdig. Dinge (heißt: Koalitionen) vor der Wahl auszuschließen halte ich sowieso für einen immer wieder begangenen Kardinalfehler der Politik. Sich nach der Wahl nicht mehr daran erinnern zu wollen, ist der zweite, der ohne den ersten gar nicht passieren könnte. Diesen Fehler haben dieses Mal SPD, Grüne und FDP gleichermaßen begangen. Die Unentschiedenheit der Liberalen nach der Wahl und die allgemeine Inkompatibilität von Parteien des demokratischen Spektrums aufgrund persönlicher Abneigungen (Papke, Löhrmann) haben Ihr Übriges dazu beigetragen, dass der Versuch einer Regierungsfindung in NRW zu einem neuerlichen Super-GAU für die Parteiendemokratie wurde. Jürgen Rüttgers Entscheidung, sich nicht an sein Amt zu klammern, sondern seine Niederlage anzunehmen und einen klaren Schnitt möglich zu machen, kann da nur als kleiner Trost gesehen werden.

Bewertung: Schon vor dem Start einer wackeligen Minderheitsregierung haben die Parteitaktiker aller Parteien mit Sprachlosigkeit und Schuldvorwürfen weiteres Vertrauen der Bürger verspielt.


Zweites Beispiel: Bundespräsidentenwahl

Über die Gauck-Frage wurde an dieser Stelle schon viel philosophiert, daher will ich in dieses Thema nicht allzu tief einsteigen. Geglänzt hat aber dort ganz offensichtlich niemand. Schwarz-Gelb hat sich mit der Art und Weise der Nominierung, den Einlassungen während der Kandidatur und natürlich auch mit dem Ergebnis am Wahltag selbst keinen Gefallen getan und den Glauben in die Parteienpolitik beschädigt. Vor allem der FDP wird das auf lange Frist anhängen. Grüne und SPD sollten nicht allzu sehr frohlocken, denn natürlich haben sie Gauck aus rein taktischen Gründen aufgestellt – und das wird von den meisten Bürgern durchaus so wahrgenommen. Die Linke hat sich als unfähig erwiesen, in einem Moment, in dem sie das erste Mal in der Lage war, eine politische Gestaltungsrolle auf Bundesebene zu spielen mit der Entscheidung für eine Enthaltung versagt.

Bewertung: Alle Parteien haben gemeinsam zur wachsenden Frustration der Bürger beigetragen.

Drittes Beispiel: Volksentscheide in Bayern und Hamburg

Die Volksentscheide habe ich an anderer Stelle als Emanzipation der Bürger von der „Parteien-oligarchie“ (Zitat Hamm-Brücher) bezeichnet. Diese könnte sich aber theoretisch auch mit Unterstützung bzw. Duldung der Parteien vollzogen haben. Weit gefehlt, wirft man einen genaueren Blick auf die Rolle der einzelnen Parteien.

In Hamburg ist die Gemengelage relativ klar: Schwarz-Grün ist mit einem Projekt in der Bürgerschaft angeeckt und hat zu wenig Kompromissbereitschaft gezeigt, sich gegenüber dieser zu bewegen, nachdem eine Einigkeit mit den anderen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien (SPD, Linke) erzielt wurde. Eine Auseinandersetzung mit den Wählern selbst schien bei dieser breiten Phalanx unnötig, waren diese doch den Parteien in der Geschichte am Ende immer noch gefolgt. Diese Arroganz aller vier Parteien (die FDP hatte sich auf die Seite der Bürgerinitiative geschlagen, spielte aber keine allzu wichtige Rolle) hatte am Ende zu Folge, dass es zu einer „Kampfabstimmung“ über das Thema kam und die Bürger sich emanzipierten. Will man es negativ formulieren, so muss man konstatieren: Sie trauen ihren Volksvertretern die richtigen Entscheidungen wohl nicht mehr zu.

In Bayern sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob die SPD der strahlende Sieger gewesen wäre, weil sie auf der Seite der erfolgreichen Nichtraucherschützer standen, während die CSU gar keine Meinung vertrat. Aber auch das ist zu kurz gesprungen. Das Thema bietet sich nicht für parteipolitische Grabenkämpfe an, die Bürger haben dazu auch ohne Seehofer oder Pronold eine Meinung – unabhängig von Milieu oder Parteibuch. Der Versuch, ein Gesetz zu einem solchen Thema an den Bürgern vorbei durch Parteienmacht durchzudrücken wird allen Parteien anhaften – nicht nur der CSU.

Bewertung: An beiden Stellen wurde die Vertrauensbasis der Bürger weiter beschädigt. Verschärft wird dies noch durch den Rücktritt von Ole von Beust und den ignoranten Umgang mit der Frage nach der eigenen (unglücklichen) Rolle der Parteien.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Was die "Bürgergesellschaft" verhindert I - Politische Selektionsmechanismen

Nach Ende der Pro-Gauck-Kampagne möchte ich dieses Forum nutzen, um mich damit auseinander zu setzen, woran denn die Idee der "Bürgergesellschaft" derzeit noch nicht Realität geworden ist. Ich greife dabei für den Anfang auf Textpassagen aus meinem Buch "Elite im Hamsterrad - Manifest für einen Neuanfang der kreativen Klasse" zurück, in dem ich mich mit dieser Fragestellung über die letzten anderthalb Jahre beschäftigt habe.

"Elite im Hamsterrad - Manifest für einen Neuanfang der kreativen Klasse" (Auszug - Seite 59 bis 65):

Der kurzfristige Sprung auf aussichtsreiche Positionen bleibt den meisten verwehrt, denn Qualität (inhaltlich) zählt in der Politik typischerweise weniger als Quantität (im Sinne von Einsätzen im Straßenwahlkampf, geklebten Plakaten oder Ähnlichem). Demokratie ist nicht immer die Auslese der besten Kandidaten, sondern oftmals eine Auslese der bekanntesten und präsentesten.
[...]
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Kandidat für letzteren Weg, nämlich den außerhalb der Politik, entscheidet, eng korreliert mit seinen Qualitäten und Möglichkeiten. Je qualifizierter ein junger Mann oder eine junge Frau ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es, sich außerhalb der Politik – zumindest finanziell und was gesellschaftliches Ansehen angeht – zu verwirklichen. Im Umkehrschluss heißt das natürlich auch, dass selten die besten Köpfe in der Politik landen. Gehässig gesagt: Die Auswahl für politische Spitzenämter ist weitgehend so gestaltet, dass es für die Besten wenig interessant ist, sich dieser zu stellen, oder sie im Prozess selbst ausgesiebt werden.
[...]
Um unabhängig denken und handeln zu können, bedarf es in der Politik eines gewissen Selbstbewusstseins. Nicht zu verwechseln mit der viel zitierten „Arroganz der Macht“ natürlich. Wer dagegen weiß (oder glaubt), dass er oder sie mit einem Ausscheiden aus seinem politischen Amt finanziell und sozial mit harten Einschnitten zu rechnen hat, wird sich umso verbissener um seine Wiederwahl bemühen. Dabei gilt es weniger, wie es in der Demokratie ursprünglich angedacht war, die eigenen Wähler mit guter Arbeit zu überzeugen. Das wäre mehr als legitim. Vielmehr muss man vor dem Hintergrund unseres starren Wahlsystems in erster Linie innerhalb der Partei reüssieren, um bei den kommenden Wahlen einen sicheren Listenplatz oder zumindest eine Direktkandidatur in einem sicheren Wahlkreis (den es nur für die großen Parteien CDU, CSU und SPD gibt) zu ergattern. Dafür bedarf es vor allem Überzeugungsarbeit bei den Parteioberen, die typischerweise selbst auf dem Weg an die Spitze abgeschliffen wurden und von deren einst vielleicht vorhandenen progressiven Ideen die meisten auf dem „langen Marsch durch die Institutionen“ verloren gegangen sind. Neue Ideen und innovative Ansätze helfen bei diesem Unterfangen daher höchstens in homöopathischen Dosen; gefragt sind eher treue Gefolgsleute, die in Meinung und Verhalten die Alteingesessenen imitieren.
[...]
Wie können Menschen mit wahrem Elitepotenzial im aktuellen System am Ende doch den Weg in politische Spitzenämter schaffen, ohne dass sie dabei allzu viele Kompromisse eingehen müssen? Letztlich gibt es dafür nur zwei Möglichkeiten. Die eine hängt von glücklichen äußeren Umständen ab, die zweite vom langen Atem der betreffenden Person. Bei letzter Option heißt das: früh anfangen, immer dabei bleiben, ohne negativ aufzufallen, und im besten Politikeralter mit einem entsprechend angereicherten Lebenslauf aus einem anderen Umfeld, wie etwa der Wirtschaft oder der Wissenschaft, als halber Quereinsteiger einen Versuch starten. Vor dem Hintergrund, dass ein Erfolg nicht garantiert werden kann, und der Zeitraum, um den es geht, gerne 15 bis 20 Jahre betragen kann, kann man sich ausmalen, wie attraktiv dieser Ansatz für einen inzwischen erfolgreichen und typischerweise gut bezahlten Manager, Unternehmer oder Wissenschaftler ist. 
[...]
Aus gesellschaftlicher Sicht muss man aber konstatieren, dass unsere Parteiendemokratie für junge Spitzenkräfte, denen alle Türen auch außerhalb der Politik offen stehen, zu wenige Angebote bereithält. Jedes System bekommt am Ende auch die Vertreter, die es verdient. Danach beurteilt, ist unser System zumindest suboptimal ausgestaltet – um es vorsichtig auszudrücken. Im Sinne einer wirklichen Spitzenförderung auch in der Politik müsste den Wählern mehr Möglichkeiten bei der Wahl ihrer Abgeordneten gegeben werden. So hätten auch Kandidaten, die innerhalb ihrer Partei aufgrund von Alter, Geschlecht, Regionalproporz oder anderen inhalt­lichen Positionen eher eine Außenseiterrolle innehaben, eine faire Chance. Denn der Bürger erkennt gute Leute im Zweifel besser als Parteigranden, die sich nur in Rückzugsgefechten zur Rettung und Stabilisierung ihres Einflussbereiches befinden.

Sonntag, 4. Juli 2010

Die letzten Tage – die nächsten Tage

Was ist noch passiert?

Es ist Samstag und so langsam habe ich die Eindrücke der letzten Tage verarbeitet und komme dazu, mir etwas strukturierter Gedanken zu machen. Zunächst einmal ein kurzer Blick zurück.

Ich hatte das große Glück, am Mittwoch im Reichstag der Bundesversammlung beiwohnen zu dürfen. Über den Verlauf der Wahl an sich muss ich wohl keine weiteren Worte verlieren, denn diesen konnte man ja auf fast allen Sendern live verfolgen und spätestens am Tag nach der Wahl in allen Print- und Onlinemedien detailliert nachlesen, inklusive ausgiebiger Kommentierung. Aus meiner persönlichen Sicht war es ein Erfolg, dass unser Kandidat Joachim Gauck es unter den gegebenen Umständen in den dritten Wahlgang geschafft hat. Ich hatte schon vorher gesagt, dass unsere Chance darin besteht, vor der Wahl etwas zu erreichen. Dazu ist es leider nicht gekommen. Trotzdem kein Grund für Verdruss; Joachim Gauck war nicht niedergeschlagen, und deshalb sollten wir es auch nicht sein!

Wir haben der Meinung der Bürger eine neue Öffentlichkeit gegeben –und das wurde durchaus wahrgenommen. Während der Bundesversammlung hatte ich die Möglichkeit, mit Menschen verschiedenster Hintergründe über unsere „Bewegung“ zu sprechen. Das Interesse war enorm, egal ob bei den Parteispitzen, bei Journalisten, bei Wissenschaftlern oder sogar bei Botschaftern anderer Länder. Sie alle haben erkannt, dass sich hier in Deutschland in den letzten Wochen etwas bewegt hat, das man nicht wegdiskutieren kann und mit dem man sich – egal aus welcher Perspektive heraus – beschäftigen muss. Die einen sehen es noch eher als Risiko – die anderen (die meisten) sehen es als Chance. Dieses erreicht zu haben, kann uns niemand nehmen. Und damit wirken wir auch über den 30. Juni hinaus.

Wie geht es weiter?

Nun aber noch ein paar Worte zu der Frage, die seit einigen Tagen alle (auch mich) beschäftigt: Wie geht es weiter? Ich habe mir lange Gedanken gemacht und bin damit vermutlich nicht alleine. Es gibt bereits verschiedene Initiativen, die versuchen wollen, den entstandenen Schwung mitzunehmen und an anderer Stelle zu nutzen. So hat Gerald Wenk etwa die Gruppe „Werkstatt Demokratie“ gegründet, das Organisationsteam von "Demos für Gauck" wird einen Verein gründen, der sich u.a. für die Direktwahl des Bundespräsidenten einsetzen will und Christian Edom hat eine Gruppe gegründet, um für die Verleihung eines Ordens an Joachim Gauck zu werben. Ohne all das inhaltlich bewerten zu wollen (bei der Direktwahl des Präsidenten habe ich tatsächlich noch keine abschließende Meinung) muss ich sagen, dass ich das äußerst verdienstvoll finde. Jedes Engagement dieser Art ist ein Einsatz für die Demokratie, wie wir sie uns wünschen – nämlich eine, in der die Bürger die Realität aktiv mitgestalten! Was diese beiden Beispiele allerdings auch schon zeigen: die Interessen scheinen doch in unterschiedliche Richtungen zu gehen. Geeint hat uns alle, dass wir uns Joachim Gauck als Bundespräsident gewünscht hätten – egal ob alt oder jung, männlich oder weiblich, Linkspartei- oder CSU-Mitglied. Viele von uns wird vielleicht auch noch das Gefühl einen, dass der eine oder andere Prozess in unserer Parteiendemokratie an den Bürgern vorbeiläuft. Sobald wir aber versuchen würden, eine solch heterogene Gruppe hinter gemeinsamen politischen Themen zu versammeln, die über diese Erkenntnis hinausgehen, müssten wir scheitern – so meine Überzeugung. Ich halte das übrigens überhaupt nicht für schlimm, denn es liegt schlichtweg in der Natur der Sache und bietet damit erst genau die Chancen von Partizipation, von denen wir in den letzten vier Wochen so erfolgreich Gebrauch gemacht haben.

In der klassischen Gesellschaftsordnung bündeln Parteien, Gewerkschaften, Verbände, Kirchen etc. gewisse Einstellungen von Menschen in einer schwammigen Art und Weise. Wer dort Mitglied wird, lebt in einem dauernden Kompromisszustand, der eine Demokratie zwar ausmacht, aber den Einzelnen immer öfter unglücklich zurücklässt. Um die eigentlich immer weiter verschwimmenden Grenzen zwischen Parteien deutlicher ziehen zu können, wird stärker auf die Unterschiedlichkeiten als auf das Einende abgestellt. Denn nur durch Corpsgeist lassen sich Menschen für eine Partei organisieren, auch wenn sie in der Sache nicht immer übereinstimmen. Mit unserer Initiative haben wir auch für Deutschland bewiesen, dass die neuen Kommunikationsmedien eine Zusammenarbeit zwischen Bürgern auch entlang von einzelnen Themen und damit über Parteigrenzen hinweg möglich ist – wenn man es denn zulässt. Was dabei auf den ersten Blick wie eine Gefahr für die Parteien und andere Organisationen aussieht, ist in Wahrheit eine Chance für all die Institutionen, die mit ihrem klassischen Ansatz derzeit massiv an Mitgliedern verlieren. Gerade auch die Parteien müssen sich Bürgern öffnen, die sich jenseits klassischer Strukturen engagieren wollen. Das heißt aber im Umkehrschluss auch: unsere Initiative für Joachim Gauck wird sich nicht einfach auf andere Themen erweitern lassen, denn dann würden auch wir in die klassische Denke abgleiten. Vielmehr sollten sich diejenigen, die bestimmte Ziele verfolgen (wie etwa die Direktwahl des Bundespräsidenten) zusammenschließen und das Thema auch Menschen öffnen, die bspw. für Wulff waren, trotzdem aber für eine Direktwahl sind, gleichzeitig aber auch akzeptieren, dass es vielleicht Unterstützer der Kandidatur von Joachim Gauck gibt, die gegen die Direktwahl sind.

Um es also ganz hart zu formulieren: Die Gruppe „Joachim Gauck als Bundespräsident“ ist nicht einfach weiter zu entwickeln. Die Aktivität wird abnehmen, viele Leute werden die Gruppe verlassen, vielleicht „stirbt“ sie sogar eines Tages komplett. Aber: das ist nicht weiter schlimm, wenn sich jeder für sich und vielleicht auch einige zusammen neue Felder sucht, in denen er oder sie sich engagieren will. Vielleicht begegnen sich auch diejenigen, deren Wege sich jetzt trennen, in einem anderen Thema wieder. Vielleicht auch nicht. Sicher sind für politische Themen auch noch viele Menschen aktivierbar, die wir diesmal nicht erreicht haben. Die Bewegung pro Gauck war damit hoffentlich der Startschuss für mehr Teilhabe von Bürgern via Web 2.0 und Co. – wenn dies eintritt, haben wir Großes erreicht und können unseren Platz in den Geschichtsbüchern reservieren.

Zu meinen Plänen: Ich habe in den letzten Tagen viele Kontakte in Berlin und an anderer Stelle knüpfen können. Von verschiedensten Seiten wurde – wie oben schon beschrieben – Interesse an einem Austausch bekundet, denn es wird wohl verstanden, dass „da draußen“ gerade etwas passiert, wohl aber nicht unbedingt, was genau das ist und wie es die Art und Weise politischer Teilhabe verändern wird. Ich will versuchen, die Übersetzungsleistung zu erbringen und den verantwortlichen Politikern, Gewerkschaftern etc. deutlich machen, dass sie nicht darum herum kommen werden, die Wünsche des Volkes stärker in ihre Entscheidungsfindung und Kommunikationsstrategie einzubinden, um nicht mit entsprechenden Kampagnen konfrontiert zu werden. Darüber hinaus werde ich natürlich auch weiterhin die Anfragen von Presse und Wissenschaft beantworten und die eine oder andere Erkenntnis wird auch in meiner Doktorarbeit zum Thema „Neue Wege in der Tarifpartnerschaft“ einfließen und ansonsten auch wieder in meinen Beruf „zurückkehren“. Darüber hinaus werde ich mich nun tatsächlich einige Wochen nach Erscheinen meines Buches "Elite im Hamsterrad - Manifest für einen Neuanfang der kreativen Klasse" auch damit beschäftigen, dieses bekannt zu machen. Darauf musste ich mit Rücksicht auf die Kampagne komplett verzichten – um mich nicht dem Vorwurf der Vermischung von Interessen auszusetzen. Für alle diejenigen, die es interessiert: viel von dem, über das wir in den letzten Tagen diskutiert haben, ist dort auch schon Gegenstand der Betrachtung. Die Frage nach der Nutzung des Internets zur Einbindung breiterer Bevölkerungsschichten in den demokratischen Prozess etwa oder auch die Voraussetzungen für eine politische Beteiligung des Bürgertums.

Ich könnte noch so viel schreiben, aber das würden Rahmen sprengen. Viele Gedanken werde ich in den nächsten Tagen noch vertiefen. Wichtig ist mir noch, danke zu sagen an Euch alle! Wer Lust hat, an den oben skizzierten Themen auch in Zukunft mit mir zusammenarbeiten, ist herzlich willkommen! Die ersten Persönlichkeiten auch aus dem Dunstkreis von Joachim Gauck haben bereits ihre Bereitschaft bekundet und auch er scheint nicht abgeneigt. Bleiben wir also am Ball…

Samstag, 3. Juli 2010

Mein Highlight der letzten Wochen...

Für mich ganz persönlich gab es in den letzten Wochen neben den unglaublichen Dingen, die passiert sind, noch ein ganz besonderes Highlight, an dem ich Euch teilhaben lassen will. Zwischen dem zweiten und dritten Wahlgang saß ich mit Joachim Gauck zusammen im Turmzimmer des Reichstags mit Blick auf das Brandenburger Tor. Ich sagte zu ihm: „So schließt sich der Kreis. Vor 21 Jahren haben Sie noch darum gekämpft, einmal die Quadriga von hinten sehen zu dürfen, heute sitzen Sie hier mit Blick auf diese und wären fast Präsident des geeinten Deutschlands geworden.“ Daraufhin nahm er sein Buch zur Hand und bat mich, mich zu ihm zu setzen. Und dann las er mir die letzten beiden Seiten vor, auf denen aufgeschrieben hat, wie er vor einem Jahr, bei der Wiederwahl Horst Köhlers genau diesem Gedanken nachhing und sich dann am Reichstag vor der Deutschland-Fahne fotografieren ließ. Ein wahrer Patriot – das merkt man in einem solchen Augenblick in jeder Haarspitze. Und ich werde diesen Moment sicher mein Leben lang nicht vergessen. Wir haben für die richtige Persönlichkeit gekämpft!

Die Fotos sind einige Momente später auf dem Balkon des Turmzimmers entstanden.