In einem Rechtsstaat gilt: erlaubt ist, was nicht verboten ist. Und als Liberaler bin ich natürlich dafür, möglichst wenig zu verbieten und alles andere in den Händen der Menschen zu belassen. Nun beobachte ich aber seit einiger Zeit den Trend, dass man dieses Prinzip versucht, bis an die Grenze auszunutzen - ohne Rücksicht auf andere. Das beschädigt die Gesellschaft.
Ich will ein Beispiel aus der Wirtschaft erzählen, das mir gut in Erinnerung geblieben ist. Dort wehrte sich ein hochrangiger Unternehmensverantwortlicher mit einem Gehalt jenseits der Millionengrenze mit Händen und Füßen gegen eine Regelung für Geschenke durch Lieferanten. Diese "Compliance"-Regulierung war eigentlich gedacht, um die Bestechung einfacher Angestellter zu verhindern. Aber was das eigentlich wirklich das Problem? Für mich muss man - nicht nur hier - höher ansetzen. Denn der Hintergrund des Widerstands war schnell gefunden: Der hochrangige Manager ließ sich schon viele Jahre regelmäßig für viel Geld zu Golfurlauben einladen. Und jeder seiner Mitarbeiter wusste das.
Natürlich kann man solche Dinge, egal ob in einem Unternehmen, in einer Behörde oder für alle Bürger, gesetzlich regeln. Aber das Problem in dem beschriebenen Fall ist doch nicht, ob es eine Regelung gibt oder nicht, sondern dass der Unternehmensführer offenbar jede Form von Maß und Anstand verloren hatte und sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht hat, was für ein Vorbild er auch für seine Mitarbeiter abgibt. So lange es Regeln gibt, gibt es immer auch Menschen, die Wege finden, diese zu umgehen - auch rechtlich sauber. Mehr Regeln lösen das eigentliche Problem also nicht. Das sieht man auch an Polit-Personalien wie Ronald Pofalla, der bei seinem Wechsel aus dem Kanzleramt in den Bahnvorstand keine rechtlichen Regelungen riss, moralische aber allemal.
Mein Vorschlag daher: Setzen wir wieder mehr auf Führungskultur und Verantwortung statt Reglementierung. Handeln wir verantwortlich - und fordern wir Mitarbeiter, aber auch unsere Kinder, dazu auf, ebenso verantwortlich zu handeln. Wenn wir das nicht tun, wird die Reaktion sein, dass immer weitere Gesellschaftsbereiche reglementiert werden und gleichzeitig der Versuch auf der Strecke bleibt, Dinge so gut wie möglich zu tun. Wer sich geradeso an die Regeln gehalten hat, ist dann fein raus. Wer sie gerissen hat, beim Versuch, das Richtige zu tun, bekommt Probleme. Eine Gesellschaft wird aber nicht durch Pflichterfüller stark, sondern durch diejenigen, die den einen Extraschritt gehen.
P.S.: Hier ein Artikel aus dem Tagesspiegel zu genau diesem Thema bei Ex-Verfassungsrichtern. Der wesentliche Satz darin: "Compliance wird nötig, wenn Haltung fehlt."
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