Donnerstag, 3. Dezember 2015

Meisterkurs an der Texterschmiede - Was Werber von Strategie verstehen

Die Selbständigkeit hat ja immer zwei Seiten: Zum einen ist man unendlich frei in allem, was man tut (so lange Geld auf dem Konto ist zumindest), zum anderen hat man niemanden, mit dem man die besonders harten Nüsse gemeinsam knacken kann. Die richtige Strategie für das eigene Business zu finden, die Definition der eigenen Positionierung, insbesondere aber die Skizzierung des Alleinstellungsmerkmals, mit dem man sich für Kunden unentbehrlich macht, ist eine dieser Nüsse. Und deshalb freute ich mich besonders, als mich der Chef der Texterschmiede in Hamburg, Matthias Berg, bei einem gemeinsamen Mittagsessen auf ein zweitägiges Seminar hinwies, bei dem es genau darum gehen sollte. Hier ein kleiner Erfahrungsbericht vom vielleicht besten Seminar, das ich in den 15 Jahren meiner Berufstätigkeit besucht habe.
Zunächst zum Setting. Das Strategie-Seminar aus dem Meisterkursprogramm fand an einem Donnerstag und Freitag jeweils ganztägig in den Räumen der Texterschmiede statt; in Hamburg-Hammerbrook, nicht weit von mir entfernt, aber auch nicht dafür bekannt, besonders cool zu sein. Die wichtigste deutschsprachige Ausbildungsstätte für Texter und Konzeptioner sitzt allerdings in einem alten Industriehof, der fast an die Lofts in den coolen Hinterhöfen Berlins erinnert und auch drum herum mit hippen Cafés und modernen Restaurants mehr zu bieten hat, als ich erwartet hätte. Die „Schmiede“ selbst wird von einem Verein getragen, der zum einen aus Beiträgen von über 60 Förderagenturen und zum anderen aus dem Schulgeld der Auszubildenden finanziert wird. Inzwischen fasst man den Fokus allerdings etwas weiter – vermutlich weil man erkannt hat, dass die Fähigkeiten, den Kern eines Produkts oder Unternehmens zu erkennen, seine Geschichte zu erzählen und greifbar zu machen auch für Menschen jenseits der Werbung zunehmend wichtiger werden. 

Das Seminar wurde geleitet von Matthias Berg, dem geschäftsführenden Vorstand der Texterschmiede und altgedienten Werber und Alleinstellungsberater, sowie Alexander Baron, hochdekorierter Texter und Konzeptioner. Was man sich also erwarten konnte, waren auf jeden Fall stylishe Charts mit flotten Sprüchen. Doch zumindest die Charts hielten sich in Grenzen. Dafür wurde es konkret. Und zwar so konkret, dass ich das Seminar verließ und das Gefühl hatte, gerade Beratungsleistungen mehrerer Wochen und im fünfstelligen Wert in zwei Tagen und für einen Bruchteil davon erhalten zu haben. Es hätte schlechter laufen können.

Die Theorie umfasste die folgenden Themen:
  • Einführung in die Markenbildung
  • Entwicklung einer Situationsanalyse einschließlich Wettbewerbs- und SWOT-Analyse
  • Entwicklung von Positionierungsoptionen und alleinstellenden Versprechen
  • Erstellung einer Kommunikationsstrategie
  • Einführung in Umsetzungsszenarien mit Übungen in Einzelmaßnahmen.
Wie man an der Formulierung schon erkennen kann: Es beschränkte sich nicht auf die bloße Vermittlung von Theorie – das hatte ich auch schon während meines BWL-Studiums. Vielmehr hatte jeder der sechs Teilnehmer ein eigenes Thema/Produkt mitgebracht – von der eigenen Neuaufstellung als Texter mit dem Ziel, größere Kunden zu akquirieren über Lachswürfel oder das Herausarbeiten der Alleinstellungsmerkmale eines Gesundheitsdienstleistungsunternehmen bis hin zum Selbstverständnis einer renommierten Tageszeitung in Zeiten von Lügenpresse-Vorwürfen war alles dabei. Und jedes Projekt wurde nicht nur zwischen Teilnehmern und Dozenten, sondern innerhalb der gesamten Gruppe diskutiert, was durchaus auch einmal hart werden konnte – aber immer konstruktiv und unendlich fruchtbar war. 

Natürlich geht man in ein solches Seminar immer mit einer Hypothese. Aber genauso natürlich bringt man auch Zweifel mit, sonst müsste man das Seminar ja nicht buchen. Und so war es dann auch nicht überraschend, dass die Ergebnisse für die sechs Teilnehmer sehr unterschiedlich waren und von einer Bestätigung der eigenen Hypothese bis hin zum kompletten Verwerfen derselben gingen. Ich habe aus den Diskussionen auf jeden Fall extrem viel mitgenommen – die Ergebnisse werden sich mittelfristig bspw. auf meiner Homepage umgesetzt finden. 

Für wen würde ich das Seminar empfehlen? Nicht nur, aber auch: Unternehmensgründer in der Findungsphase, etablierte Unternehmer in einer Weiterentwicklungs-/Neuaufstellungsphase, Produkt- und Projektmanager in Unternehmen, die sich strategisch weiterbilden wollen oder Teams, die in einer konkreten strategischen Sackgasse stecken. 

Nicht geeignet ist das Seminar für Leute, die noch Fortbildungsbudgets über haben und sich zwei gemütliche Tage außerhalb der eigenen Firma machen wollen. Dafür ist das Seminar deutlich zu intensiv und anspruchsvoll.

Logo und Bilder wurden mir dankenswerterweise von der Texterschmiede zur Verfügung gestellt.





1 Kommentar: