Donnerstag, 25. September 2014

Brief an Heribert Prantl

Sehr geehrter Herr Prantl,

ich schätze Ihre Kommentare, oft bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ihren gestrigen Beitrag zur FDP kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Gerne führe ich auch aus, warum das so ist.

Zunächst einmal kann sich doch keiner wundern, dass die Wahlergebnisse dieses Jahr so waren, wie sie waren. Die Analogie zu 1999 ist unverkennbar. Und Sie sind ja nun wirklich lange genug dabei, um zu wissen, wie lange es braucht, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurück zu gewinnen. Die Ergebnisse waren letztes Jahr im September schon vorauszusehen, auch wenn man natürlich vor allem in den wahlkämpfenden Landesverbänden alles daran gesetzt hat, sich gegen die Vorsehung zu wehren. Egal was die FDP gemacht hätte, wer Spitzenkandidat gewesen wäre, welche programmatischen Volten sie vollführt hätte oder wir spritzig die Kampagne auch gewesen wäre: Es hätte niemals gereicht.

Vor diesem Hintergrund muss man auch das Schweigen der Bundesspitze verstehen. Und sollte es nicht mit Lethargie, mit Lähmung verwechseln. Warum hätte man die Trümpfe, die man noch im Arm hat, verbrennen sollen zu einem Zeitpunkt, als einem niemand auch nur mehr die Uhrzeit geglaubt hätte? Eine FDP, die von der Marketinglastigkeit unter Westerwelle wieder zu einer ernstzunehmenden programmatischen Alternative werden will, muss sich Zeit nehmen und seriös arbeiten. Sonst bleibt es bei Sonntagsreden. Eine Partei, in der die Basis kleingehalten wurde, muss wieder lernen, wie es anders gehen kann. Und auch das braucht Zeit. Und eine Partei, die heute Rechtsstaatspartei sein will, kann sich zwar von der Zeit der Flachs, Dahrendorfs und Maihofers inspirieren lassen, muss deren Prinzipien aber im heutigen Kontext denken - und auch das braucht Zeit, um die entsprechenden Kompetenzen aufzubauen.

In der FDP, das kann ich Ihnen versichern, gibt es reichlich Liberale. Auch Liberale, wie Sie sie sich wünschen. Die sortieren und vernetzen sich, denken und diskutieren. Auf jeden Fall, und das ist auch die Stärke von Christian Lindner, verfallen sie nicht in blinden Aktionismus, der nur wieder zu einer oberflächlichen Erneuerung ohne Substanz führen würde. Wenn Sie es wirklich gewollt hätten, hätten Sie das übrigens auch herausfinden können. Leider haben Sie sich allerdings von Schlagzeilen blenden lassen. Sie beschreiben noch die FDP im September 2013. Aber wie Sie selbst sagen: Es ist ein Jahr seitdem vergangen. Und in diesem ist mehr passiert, als in den Medien steht. Geben also auch Sie uns noch eine Chance, zumindest indem Sie uns nicht abschreiben, ohne einen genaueren Blick hinter die Kulissen geworfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Christoph Giesa

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