Am 17. Juli fand in den Räumen des Weltethos-Institutes wieder einmal eine hochkarätig besetzte Veranstaltung in der Reihe „Klüger Wirtschaften“ statt. Zu Gast waren diesmal der Gründer der dm-Drogeriemärkte, Götz Werner, sowie der streitbare Bremer Ökonom Rudolf Hickel, um auf Basis von Werners Buch „1000 Euro für jeden“ die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens zu diskutieren. 300 Besucher aller Altersklassen zog diese Veranstaltung an, zu der Stephan Schlensog vom Weltethos-Institut in Vertretung des erkrankten Direktors Claus Dierksmeier ein paar einleitende Worte sprach. Er zitierte Dierksmeier dabei mit den Worten „Armut untergräbt die intellektuelle und praktische Teilhabe am politischen Leben“ – eine Aussage, hinter der sich wohl alle Teilnehmer versammeln konnten.
Wer nun allerdings geglaubt hätte, Hickels einleitende Buchbesprechung wäre voll des Lobes und die beiden Herren würden sich danach gemäß ihrer Seniorität gegenseitig höflich die Bäll zuspielen, der sah sich schnell getäuscht. Zwar lobte Hickel Werner dafür, dass er sich mit der Problematik des über die Jahre stark angewachsenen Niedriglohnsektors, resultierend aus den Hartz-Reformen, auseinandersetzte. Allerdings dauerte es nicht lange, bis er Werner dann - immer augenzwinkernd, aber doch pointiert - vorwarf, das eigentliche Thema zu verkennen. Aus Hickels Sicht gehe es nämlich nicht um ein Recht auf Einkommen, sondern um ein Recht auf Arbeit. Erst wenn dieses gegeben sei und darüber hinaus das daraus generierte Einkommen ausreiche, um davon zu leben, hätten die Menschen die Chance zur Selbstbestimmung. Werner antwortete darauf später, dass er natürlich sowohl Arbeit, als auch Einkommen als wichtig ansehe, dass gute Arbeit aber nicht zwangsläufig für gutes Einkommen sorgen müsse und man daher die beiden Dinge voneinander trennen solle. Ein Dissens, der sich über den Abend nicht mehr auflösen ließ und für scharfe Wortgefechte zwischen den Diskutanten, aber auch mit dem engagierten Publikum sorgte.
Moderator Dr. Christopher Gohl führte trotzdem souverän durch den Abend und ließ sich auch von der einen oder anderen spitzen Reaktion auf seine Fragen nicht aus der Ruhe bringen. Warum ein Grundeinkommen als Menschenrecht an nationalstaatlichen Grenzen Halt machen müsse blieb allerdings bis zum Ende unbeantwortet. Und auch bei der Frage nach der Finanzierung gab es keine Einigkeit. Werner plädierte für die Idee, die Steuern radikal zu senken und das Grundeinkommen über die Konsumsteuern zu bezahlen, was Hickel so nicht stehen lasse wolle, weil es Großverdiener deutlich bevorzuge. Er warf als Alternative eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer in den Raum, mit der sich wiederum Werner überhaupt nicht anfreunden konnte. In dieser Phase der Veranstaltung fiel mehr als einmal das Wörtchen „Skandal“, was zeigt, wie hoch die Wellen bei der Frage danach, was denn nun Gerechtigkeit und Teilhabe bedeuten, schlagen können.
Hickel wiederholte mehrfach, dass er nicht gegen das Grundeinkommen an sich sei. Allerdings wolle er dieses mit einem Mindestlohn gekoppelt wissen. Er forderte damit gewissermaßen Bedingungen für die Einführung eines bedingslosen Grudeinkommens, was zu Schmunzlern im Publikum führte. Dr. Bernd Villhauer, Initiator der Gesprächsreihe, der sich zu Hickel und Werner aufs Podium gesellt hatte, konnte sich auf Nachfrage von Gohl nicht zu einer klaren Aussage durchringen, ob er denn eine Unterschriftensammlung pro Grundeinkommen unterschreiben würde. Er sehe tausend Probleme und habe noch tausend Fragen, aber die Idee, einmal alles auf den Kopf zu stellen finde er durchaus beeindruckend, stellte er fest. Damit stand er vermutlich für einen Großteil des Publikums, der gemerkt haben dürfte, dass es sich um ein spannendes Thema handelt, bei dem der Diskussionsprozess allerdings noch eher am Anfang als am Ende steht.
Zum Ende hin kamen sowohl Hickel als auch Werner wieder auf den Veranstalter zurück. Hickel bedankte sich beim Weltethos-Institut dafür, dass es sich mit seiner Arbeit den Fehlentwicklungen des deutschen Universitätswesens entgegen stelle. Und Werner schlug den Bogen zur Ethik, als er feststellte, dass man natürlich Missbrauch niemals komplett verhindern könne. „Aber darum kümmert sich dann der Liebe Gott“, fügte er mit einem Schmunzeln hinzu.
Was bleibt von der Diskussion? Nun, zunächst einmal, dass Götz Werner wohl nicht gewohnt ist, von links attackiert zu werden. Trifft er sonst wohl vor allem auf Fragesteller aus liberal-konservativen Kreisen, die ihn immer wieder nach der Finanzierung und der Motivation der Menschen fragen, kamen diese Themen diesmal eher am Rande zur Sprache. Wer sich in der Rolle gefällt, das Publikum auf seiner Seite zu haben, weil er regelmäßig der „gute Mensch“ in der Runde ist, kann schon einmal ins Schlingern kommen, wenn sich die Rollen umkehren. Hickel attackierte Werner immer wieder von links - mit viel Witz zwar, aber leider auch mit Argumenten aus den 80ern. Trotz dieser Schwächen reichte es aber, um Werner komplett aus dem Konzept zu bringen und Schwächen in dessen Argumentation eindeutig zu Tage treten zu lassen.
Die Frage, ob nun ein Recht auf Arbeit oder ein Recht auf Einkommen im Mittelpunkt der politischen Bemühungen stehen soll, bleibt damit auch nach dieser Veranstaltung leider unbeantwortet. Vielleicht fehlte auf dem Podium einfach auch eine andere Perspektive, ein jüngerer Diskutant oder eine Frau etwa. Auf jeden Fall aber eine liberale Stimme.
Werner punktete wenigstens einmal gegen Hickel, als er ihm Einstein entgegen schleuderte mit dem Zitat, dass keine alten Lösungen brauche, um neuartige Probleme zu lösen. Das war es dann aber auch. So musste man am Ende zu dem Punkt kommen, dass zwei über 70jährige mit ihren jeweils schon einige Tage alten Konzepten kaum die belastbaren Antworten für die Zukunft geben werden. Es ist eben doch alles etwas komplizierter – das dürfte deutlich geworden sein. Alleine dieses Ergebnis ist aber doch auch schon eines, das sich vor allem diejenigen zu Herzen nehmen sollten, die glauben, es gäbe einfache Antworten wie das Grundeinkommen oder Mindestlöhne für die komplexen Fragen unserer Zeit.
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