Dienstag, 29. Juli 2014

Hitzige Diskussion zum Grundeinkommen

Am 17. Juli fand in den Räumen des Weltethos-Institutes wieder einmal eine hochkarätig besetzte Veranstaltung in der Reihe „Klüger Wirtschaften“ statt. Zu Gast waren diesmal der Gründer der dm-Drogeriemärkte, Götz Werner, sowie der streitbare Bremer Ökonom Rudolf Hickel, um auf Basis von Werners Buch „1000 Euro für jeden“ die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens zu diskutieren. 300 Besucher aller Altersklassen zog diese Veranstaltung an, zu der Stephan Schlensog vom Weltethos-Institut in Vertretung des erkrankten Direktors Claus Dierksmeier ein paar einleitende Worte sprach. Er zitierte Dierksmeier dabei mit den Worten „Armut untergräbt die intellektuelle und praktische Teilhabe am politischen Leben“ – eine Aussage, hinter der sich wohl alle Teilnehmer versammeln konnten.

Wer nun allerdings geglaubt hätte, Hickels einleitende Buchbesprechung wäre voll des Lobes und die beiden Herren würden sich danach gemäß ihrer Seniorität gegenseitig höflich die Bäll zuspielen, der sah sich schnell getäuscht. Zwar lobte Hickel Werner dafür, dass er sich mit der Problematik des über die Jahre stark angewachsenen Niedriglohnsektors, resultierend aus den Hartz-Reformen, auseinandersetzte. Allerdings dauerte es nicht lange, bis er Werner dann - immer augenzwinkernd, aber doch pointiert - vorwarf, das eigentliche Thema zu verkennen. Aus Hickels Sicht gehe es nämlich nicht um ein Recht auf Einkommen, sondern um ein Recht auf Arbeit. Erst wenn dieses gegeben sei und darüber hinaus das daraus generierte Einkommen ausreiche, um davon zu leben, hätten die Menschen die Chance zur Selbstbestimmung. Werner antwortete darauf später, dass er natürlich sowohl Arbeit, als auch Einkommen als wichtig ansehe, dass gute Arbeit aber nicht zwangsläufig für gutes Einkommen sorgen müsse und man daher die beiden Dinge voneinander trennen solle. Ein Dissens, der sich über den Abend nicht mehr auflösen ließ und für scharfe Wortgefechte zwischen den Diskutanten, aber auch mit dem engagierten Publikum sorgte.

Moderator Dr. Christopher Gohl führte trotzdem souverän durch den Abend und ließ sich auch von der einen oder anderen spitzen Reaktion auf seine Fragen nicht aus der Ruhe bringen. Warum ein Grundeinkommen als Menschenrecht an nationalstaatlichen Grenzen Halt machen müsse blieb allerdings bis zum Ende unbeantwortet. Und auch bei der Frage nach der Finanzierung gab es keine Einigkeit. Werner plädierte für die Idee, die Steuern radikal zu senken und das Grundeinkommen über die Konsumsteuern zu bezahlen, was Hickel so nicht stehen lasse wolle, weil es Großverdiener deutlich bevorzuge. Er warf als Alternative eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer in den Raum, mit der sich wiederum Werner überhaupt nicht anfreunden konnte. In dieser Phase der Veranstaltung fiel mehr als einmal das Wörtchen „Skandal“, was zeigt, wie hoch die Wellen bei der Frage danach, was denn nun Gerechtigkeit und Teilhabe bedeuten, schlagen können.

Hickel wiederholte mehrfach, dass er nicht gegen das Grundeinkommen an sich sei. Allerdings wolle er dieses mit einem Mindestlohn gekoppelt wissen. Er forderte damit gewissermaßen Bedingungen für die Einführung eines bedingslosen Grudeinkommens, was zu Schmunzlern im Publikum führte. Dr. Bernd Villhauer, Initiator der Gesprächsreihe, der sich zu Hickel und Werner aufs Podium gesellt hatte, konnte sich auf Nachfrage von Gohl nicht zu einer klaren Aussage durchringen, ob er denn eine Unterschriftensammlung pro Grundeinkommen unterschreiben würde. Er sehe tausend Probleme und habe noch tausend Fragen, aber die Idee, einmal alles auf den Kopf zu stellen finde er durchaus beeindruckend, stellte er fest. Damit stand er vermutlich für einen Großteil des Publikums, der gemerkt haben dürfte, dass es sich um ein spannendes Thema handelt, bei dem der Diskussionsprozess allerdings noch eher am Anfang als am Ende steht.

Zum Ende hin kamen sowohl Hickel als auch Werner wieder auf den Veranstalter zurück. Hickel bedankte sich beim Weltethos-Institut dafür, dass es sich mit seiner Arbeit den Fehlentwicklungen des deutschen Universitätswesens entgegen stelle. Und Werner schlug den Bogen zur Ethik, als er feststellte, dass man natürlich Missbrauch niemals komplett verhindern könne. „Aber darum kümmert sich dann der Liebe Gott“, fügte er mit einem Schmunzeln hinzu.

Was bleibt von der Diskussion? Nun, zunächst einmal, dass Götz Werner wohl nicht gewohnt ist, von links attackiert zu werden. Trifft er sonst wohl vor allem auf Fragesteller aus liberal-konservativen Kreisen, die ihn immer wieder nach der Finanzierung und der Motivation der Menschen fragen, kamen diese Themen diesmal eher am Rande zur Sprache. Wer sich in der Rolle gefällt, das Publikum auf seiner Seite zu haben, weil er regelmäßig der „gute Mensch“ in der Runde ist, kann schon einmal ins Schlingern kommen, wenn sich die Rollen umkehren. Hickel attackierte Werner immer wieder von links - mit viel Witz zwar, aber leider auch mit Argumenten aus den 80ern. Trotz dieser Schwächen reichte es aber, um Werner komplett aus dem Konzept zu bringen und Schwächen in dessen Argumentation eindeutig zu Tage treten zu lassen. 

Die Frage, ob nun ein Recht auf Arbeit oder ein Recht auf Einkommen im Mittelpunkt der politischen Bemühungen stehen soll, bleibt damit auch nach dieser Veranstaltung leider unbeantwortet. Vielleicht fehlte auf dem Podium einfach auch eine andere Perspektive, ein jüngerer Diskutant oder eine Frau etwa. Auf jeden Fall aber eine liberale Stimme. 

Werner punktete wenigstens einmal gegen Hickel, als er ihm Einstein entgegen schleuderte mit dem Zitat, dass keine alten Lösungen brauche, um neuartige Probleme zu lösen. Das war es dann aber auch. So musste man am Ende zu dem Punkt kommen, dass zwei über 70jährige mit ihren jeweils schon einige Tage alten Konzepten kaum die belastbaren Antworten für die Zukunft geben werden. Es ist eben doch alles etwas komplizierter – das dürfte deutlich geworden sein. Alleine dieses Ergebnis ist aber doch auch schon eines, das sich vor allem diejenigen zu Herzen nehmen sollten, die glauben, es gäbe einfache Antworten wie das Grundeinkommen oder Mindestlöhne für die komplexen Fragen unserer Zeit.

Donnerstag, 17. Juli 2014

Die Geister, die ich rief…

Dirk Niebel wusste als Minister nicht, wie er sich zu verhalten hat. Und er weiß es als Ex-Minister auch nicht. Ein Facebook-Kommentar zu Messi, der das Niveau hatte, auf dem man sich als normaldenkender Mensch höchstens im Privaten und nach viel Bier bewegt, ist der jüngste Ausfall. Zuvor schlugen die Wellen schon hoch, als bekannt wurde, dass er als Ex-Entwicklungshilfeminister einen Arbeitsvertrag beim Waffenbauer Rheinmetall unterschrieben hatte. Niebel schadet der Partei, er behindert den Aufbruch, die Neuaufstellung als ernstzunehmende liberale Kraft nach Jahren des selbst verschuldeten Niedergangs – und ist damit leider nicht alleine. 

Es ist Zeit, sich von den Niebels in der FDP aufs schärfste abzugrenzen und ihnen klar zu machen, dass der einzige Dienst, den sie der liberalen Sache noch leisten können, wäre, sich einfach so weit es geht zurückzuziehen und vor allem den Mund zu halten.

Dabei ist Niebels Wechsel formell weit weniger problematisch als mancher Versuch aus den Reihen der Union, namentlich Pofalla und von Klaeden, aus ihrer Partei- und Regierungskarriere direkten Profit zu schlagen. Von Schröder – und neuerdings auch Mißfelder - und ihrer Liebe zu Gazprom und Putin ganz zu schweigen. Zwischen Niebels Ausscheiden aus der Regierung und seinem ersten Arbeitstag liegt immerhin ein Jahr. Und auch andere Menschen arbeiten in Deutschland für Rüstungsunternehmen, Tabakfirmen oder Glücksspielunternehmen – das alleine ist noch kein Verbrechen. 

Alle anderen ehemaligen FDP-Minister haben es allerdings geschafft, ihre „Anschlussverwendung“ mit überragendem Fingerspitzengefühl zu wählen – sie sind entweder im Ausland tätig oder widmen sich, wie Guido Westerwelle, einer Tätigkeit als Stifter. 

Keiner von ihnen hat aus seiner Ministertätigkeit als Lobbyist direktes Kapital geschlagen – und man darf durchaus davon ausgehen, dass etwa Daniel Bahr Angebote von privaten Krankenkassen auf dem Tisch hatte, bevor er sich für einen amerikanischen Think Tank entschied.

Unabhängig davon, dass alle vorherigen Minister auch Mitglied in den Führungsgremien der Partei waren und ihren Anteil an deren Niedergang haben: Sie unterlassen es wenigstens, den Nachfolgern noch zusätzlich Steine in den Weg zu legen. Niebel dagegen hat bis heute nicht verstanden, dass auch er eine Menge falsch gemacht hat – und hat aus genau dieser Arroganz heraus seine Entscheidung ohne Rücksicht auf die Öffentlichkeit getroffen. Damit beweist er, was viele schon lange wissen: Er hätte niemals soweit nach oben kommen dürfen, erst als Generalsekretär, dann auch noch als Bundesminister. Hätte man den ehemaligen Arbeitsvermittler nicht weit über seine Kompetenzen hinaus befördert, wäre dieser niemals in die Verlegenheit gekommen, seinen neuen Job anzutreten.

Leider ist Dirk Niebel zwar der prominenteste, nicht aber ein Einzelfall, in dem Amts- und Mandatsträger aus der alten FDP der Partei mit ihren Ausfällen schaden. Erst gestern wagte sich der Landtagsabgeordnete Ulrich Alda mit Parolen auf den politischen Markt, die zu primitiv sind, um sie hier wiederzugeben und eher zur AfD passen würden. Vor allem aber taugen sie dazu, progressive Köpfe innerhalb der FDP zu frustrieren – und interessierte Menschen außerhalb der FDP abzustoßen.

Ein Alda, ein Niebel, ein XY, der im Namen der sowieso schon unter verschärfter Beobachtung stehenden FDP populistischen Blödsinn von sich gibt oder sich wie ein Elefant im Porzellanladen gibt, verschreckt ein Vielfaches an potenziellen Aktivisten – und eine noch viel größere Zahl von potenziellen Wählern. 

Keiner von diesen hat daher nur aus Loyalität gegenüber Menschen mit dem gleichen Parteibuch Schonung verdient. Im Gegenteil: Je lauter und je klarer man sich davon distanziert, desto glaubhafter – und desto eher schalten die Kandidaten für Eskapaden in Zukunft ihr Hirn ein, bevor sie den Mund aufmachen oder in die Tasten hauen.

Die FDP war einmal eine Partei großer Denker. Die letzten Jahre haben sie diesen Ruf komplett gekostet, in der öffentlichen Wahrnehmung ist sie inzwischen die Partei der großen Luftnummern. Mit der neuen Mannschaft gibt es eine Chance, dieses Bild wieder zu drehen. Dafür muss man aber auch gnadenlos mit der Vergangenheit aufräumen und beispielsweise klarmachen: Dirk Niebel spricht nicht mehr für die FDP. Er ist Privatperson mit FDP-Parteibuch. Und mehr soll er bitte auch nie wieder werden.

Die genannten Verfehlungen sind nicht die der neuen „Lindner-FDP“, sondern Altlasten aus der verkorksten Zeit vor 2013. 

Den wenigen in der FDP, die vor diesem Hintergrund immer noch glauben, Niebel, Alda, von mir aus auch Brüderle und Co verteidigen zu müssen, sei ein Sprung ins Eisbad empfohlen. Vielleicht wachen sie dann auf. Denn um es noch einmal klar zu sagen: Wer sich an Niebels Seite stellt, stellt sich damit gegen Christian Lindner und seine Linie der Mäßigung und der Demut. 

Alle zusammen sollten den Fall Niebel als Mahnung sehen, bei zukünftigen Personalentscheidungen genauer hinzusehen. Und die Wähler sollten sich die Frage stellen, ob sie Christian Lindner, Agnes Strack-Zimmermann oder Nicola Beer zutrauen würden, sich in Zukunft so wie Niebel zu verhalten. Ich glaube das nicht. Und das ist eine gute Nachricht auf dem Weg zu einer neu aufgestellten FDP.