Es ist einige Wochen her, seitdem
der Aufruf der Schriftsteller gegen die Massenüberwachung der Bürger erschien.
Inzwischen sind weitere Details der Überwachung durch die NSA bekannt geworden
– am Schweigen der Kanzlerin zum Thema hat das allerdings bisher nichts
geändert. Die Grünen haben den Aufruf zum Anlass genommen, einen entsprechenden
Antrag mit dem Titel „Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter“ in den
Bundestag einzubringen. Dazu fand heute die erste Lesung statt, zu der ich mich
gemeinsam mit etwa 20 Autorenkolleginnen und –kollegen im Bundestag einfand. Und
es stellte sich heraus: Alles ist noch viel schlimmer, als gedacht.
Natürlich kamen im Rahmen der
Debatte keine neuen, erschreckenden Details heraus. Dazu ist eine
Bundestagsdebatte auch nur in den seltensten Fällen da. Vielmehr konnte man in
den über anderthalb Stunden auch ohne ausgefeilte Spionagetechnik einen recht
guten Blick in die Köpfe der Abgeordneten werfen. Und gerade im Fall der Union
muss man konstatieren: Jeder Zombie in einem Horrorfilm zeigt mehr
Reflektionsvermögen, als konservative MdBs bei Fragen der Bürgerrechte.
„Ein Mensch unter Beobachtung ist
niemals frei!“ – um diesen Satz des Aufrufs strickte Katrin Göring-Eckardt ihre
Rede und sparte nicht an berechtigter Kritik an der Bundesregierung,
insbesondere auch an der Kanzlerin selbst. Die Linken schlugen in dieselbe
Kerbe, nutzten die Debatte allerdings, um auch ihr sonstiges Programm ins Spiel
zu bringen – was in weiten Teilen nur am Rande mit dem eigentlichen Thema zu
tun hatte. Die SPD wiederum rührte zwar bei den Reden der Opposition wie üblich
keinen Finger – in verschiedenen Reden konnte man allerdings herauslesen, dass
sie es manches Mal gerne getan hätten und dass man sich bei diesem Thema nur
mit einigen Bauchschmerzen an der Seite der Union findet. Bei dieser wiederum
herrscht eine dumm-dreiste Schmerzbefreitheit, gepaart mit einer unglaublichen
Unkenntnis zum Thema, dass es einem fast schon körperliche Schmerzen bereiten
musste.
Manche Einlassung konnte noch
unter „Comedy“ durchgehen. So riet die Unionsabgeordnete Nina Warken (Jahrgang 1979, auch
wenn sie sich anhörte, wie ihr eigener Großvater) etwa dazu, sichere Passwörter
zu benutzen, denn damit sei schon ein gutes Stück des Problems gelöst. Die
NSA-Abhörspezialisten dürften sich die Bäuche gehalten haben vor Lachen, ebenso
wie das Publikum auf der Besuchertribüne. Ein Kollege sekundierte, man hätte
inzwischen einige wichtige Schritte eingeleitet, unter anderem würde man die
Stiftung Warentest im Kampf gegen Datenmissbrauch stärken. Google, Facebook,
die NSA und Barack Obama dürften die Knie schlottern.
An anderen Stellen konnte man
allerdings noch nicht einmal mehr lachen. So wurde von den Unionsabgeordneten
immer wieder die Eigenverantwortung der Bürger als maßgeblich angesehen, Daten
nicht ins Netz zu stellen. Dass es der Staat ist, der auch in anderen
Lebensbereichen sicherstellen muss, dass Gesetze eingehalten werden, scheint
für die Union im Netz nicht zu gelten. Im übertragenden Sinne rufen ihre
Mitglieder daher dazu auf, sich mit Waffen auszurüsten, weil man nicht mehr in
der Lage ist, Raubüberfälle auf der Straße zu vermeiden. Dass gleichzeitig
immer wieder der Aspekt Sicherheit quasi als Legitimation für jegliches Abhören
und Überwachen unbescholtener Bürger angebracht wurde, lässt nur einen Schluss
zu: bei den Konservativen begrüßt man das Tun der NSA sogar, auch wenn man
natürlich öffentlich das Gegenteil behauptet.
Insgesamt fiel das unglaublich
niedrige Argumentationsniveau der Unionsabgeordneten auf. Das hatte wohl auch
damit zu tun, dass ein Großteil der Debattenteilnehmer aus den Reihen der
Großen Koalition in dieser wohl als nicht besonders wichtig angesehenen
Aussprache ihre Jungfernrede im Bundestag halten durften. Dass die
Regierungsbank so gut wie leer war, überrascht da fast schon nicht mehr. Es
steht zu vermuten, dass vor allem die Abgeordneten aus der Union von ihren
eigenen Regierungsmitgliedern dumm gehalten werden. Dass sie sich das
unwidersprochen gefallen lassen und sogar noch glauben, die Regierung
verteidigen zu müssen, lässt nicht nur erahnen, wer in der Union den Weg durch
die Institutionen schafft, sondern auch, dass an dem Gefühl, dass die Trennung
von Exekutive und Legislative inzwischen nur noch auf dem Papier besteht,
durchaus etwas dran ist.
Der Spaß, das wurde heute wieder
deutlich, ist endgültig vorbei. Es ist Zeit, den Feinden der Freiheit endlich
die Daumenschrauben zu zeigen. Vor diesem Hintergrund ist jede Stimme für die
Union bei der kommenden Europawahl eine Schande für das Selbstbewusstsein eines
jeden Bürgers. Wer die Freiheit auf dem Altar von Sicherheit und Stabilität
opfert, wird alsbald aufwachen und alles verloren haben. So weit dürfen wir es
wirklich nicht kommen lassen…
Zeitgleich musste dann aber doch der Vorratsdatenspeicher-Held Minister Friedrich den Hut nehmen fuer seinen Daten-Leak in Sachen Edathy... kein schlechter Zufall, meinst du nicht?
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