Montag, 17. Dezember 2012

Vom (gescheiterten) Versuch, ein Unternehmer zu sein

Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle verkündet, zukünftig öfter über meine Erfahrungen als Gründer zu schreiben. Das ist bisher, aus verschiedenen Gründen, nicht geschehen und soll nun nachgeholt werden. Dabei ist mein erster Versuch, ein eigenes Unternehmen aufzubauen, inzwischen schon gescheitert. Aber keine Sorge, ich habe nicht vor aufzugeben. Und eine Menge gelernt habe ich auch… 

Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Schon im Frühsommer 2011 war ich über ein Produkt gestolpert, das mich nicht nur selbst überzeugte, sondern in der Konstellation auch wie für mich gemacht schien. Es ging um Fruchtmark der Firma Brasfrut aus Feira de Santana in Bahia, Brasilien (wo ich mich sowieso sehr wohl fühle) mit einem für Europa zuständigen Vertriebsbüro in Lissabon (wo ich mich sowieso zu Hause fühle). Nachdem das Produkt, aus dem man leckere Getränke, Nachspeisen etc. herstellen kann, in einigen europäischen Ländern erfolgreich etabliert wurde, fehlte unter anderem noch Deutschland auf der Landkarte. Insofern freute man sich, als ich in Portugal nachhörte, ob denn Interesse an einer Partnerschaft bestünde. Und ich freute mich, weil ich glaubte, das perfekte Produkt gefunden zu haben, um auf dem zu erwarteten Hype um Brasilien (Fußball-WM 2014, Olympische Spiele 2016) mitschwimmen zu können. Aber so leicht war dann alles doch nicht… 

Meine Überzeugung war, dass es Sinn machte, das Produkt nicht in den B2C-Markt einzuführen (also über Supermärkte, etc.), sondern über B2B. Der Gedanke dahinter war der, dass es sich um die Einführung einer komplett neuen Produktkategorie handeln würde und dies mit einem erhöhten Erklärungsaufwand einherginge. Das wäre an der Tiefkühltruhe kaum zu leisten (es kann ja nicht in jedem Supermarkt jemand stehen), weshalb es sinnvoller wäre, die Endverbraucher mit dem verarbeiteten Produkt in der Gastronomie vertraut zu machen. Dabei sollten die Abnehmer nicht Gastronomen direkt sein, sondern Großhändler, die das Produkt dann an Bars, Restaurants und Co weiterverkaufen sollten. Der Grund dafür lag in der Bündelung von Logistikprozessen, um das Produkt günstig genug anbieten zu können, um eine für alle Beteiligten spannende Kalkulation zu erreichen. 

Nach einer intensiven Researchphase schien es tatsächlich so, dass es sich lohnen könnte. Offene Fragen gab es allerdings auch noch, etwa, warum ein Konkurrent (die Acai GmbH aus Berlin), der schon etwas länger am Markt war, es bis dato nicht geschafft hatte, den Sprung zu schaffen und ordentliche Umsätze zu schreiben. Vielmehr zeigte ein Blick in die GmbH-Bilanz erschreckende Verluste über die letzten Jahre. Die Hypothese war, dass dies weniger an dem Produkt, sondern vielmehr am gewählten Vertriebskanal (Versand, dabei Mindestbestellwert € 50, Lieferung irgendwann zwischen 9 und 18 Uhr per Tiefkühlbox) lag. 

Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und auf einen Test wollte ich es schon ankommen lassen, weshalb ich 150 Kilogramm (15 Sorten à 10 Kilogramm) brasilianisches Fruchtmark nach Hamburg kommen ließ. Davon abgesehen, dass ich lernen musste, dass 150 Kilo nicht unbedingt in eine 300-Liter-Tiefkühltruhe passen müssen (kann mir das mal jemand erklären, der sich damit auskennt?), klappte alles reibungslos. Und dann ging es auf Vorführ-Tour durch Hamburg und Berlin, wo ich die meisten potenziellen Käufer unter den Gastronomen vermutete. Um es kurz zu machen: Ich habe viel gelernt und musste mir am Ende trotzdem eingestehen, dass die Idee vor dem Hintergrund des Feedbacks und des dahinter stehenden Chancen-Risiko-Profils keine Zukunft zu haben schien. Was war geschehen? 

Nun, ich war vorher irgendwie davon ausgegangen, dass Gastronomen im Wettbewerb um Kunden versuchen müssen, diese so glücklich wie irgendwie möglich zu machen. Das trifft es allerdings nicht so ganz. Sie müssen sie glücklich machen, allerdings nur genau so viel, dass sie nicht aus Unzufriedenheit woanders hingehen, weniger konsumieren oder schlecht über das Lokal reden. Wenn diese Nebenbedingung erfüllt ist, kann sich der Gastronom darauf konzentrieren, seine Gewinnfunktion zu optimieren, wie wir BWLer gerne sagen :-) Insofern war die Reaktion auf mein Produkt fast immer ähnlich: „Schmeckt super, passt klasse in die Zeit, meine Kunden würden es lieben, aber ich werde es trotzdem nicht auf die Karte setzen.“ Der Hintergrund ist dann doch relativ banal: Das Produkt ist zwar gut, würde aber nicht so viel Sogwirkung entfalten, dass deshalb entweder deutlich mehr Leute kämen oder diejenigen, die sowieso kommen, deutlich mehr konsumieren würden. In diesem Kontext hat der Wirt in erster Linie ein Interesse, die Produkte zu verkaufen, die die beste Marge bringen. Und da liegt jede Cola, Saftschorle o.ä. etwa doppelt so gut, wie ein Smoothie aus echtem Fruchtmark. 

Dass fast alle, denen ich das Produkt vorgeführt habe, persönlich begeistert waren und angaben, es auch im Supermarkt zu kaufen, wenn es verfügbar wäre, hilft mir am Ende nicht. Denn die Anlaufkosten (vor allem Marketing), um das Produkt direkt im Supermarktregal zu platzieren, wären so hoch, dass man diese vermutlich auch mit zukünftigen Gewinnen nie wieder erwirtschaften könnte. Noch dazu birgt die (kostenintensive) Entwicklung eines Marktes auch die Gefahr, dass irgendwann Wettbewerber in den Markt eintreten, die diese Kosten nicht in ihren Büchern stehen haben und daher in der Lage sind, günstiger anzubieten. Kurz und gut, am Ende erschien die Idee in einem anderen Licht und mit letzter Woche ist die zu diesem Zwecke gegründete Firma wieder abgemeldet. Ich habe noch einige Dutzend Kilo tiefgekühltes Fruchtmark im Keller und werde somit noch lange an die Zeit erinnert werden. Bereuen tue ich nichts, denn bevor ich € 400.000 an Krediten aufnehme, um dann gegen die Wand zu fahren, suche ich mir lieber andere Betätigungsfelder… Mehr dazu bald an dieser Stelle! Und in der Zwischenzeit den Leuten der Acai GmbH viel Erfolg...

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