Sonntag, 23. Dezember 2012

Wie man sich mit Geld selbst beschert

Bescherung, das passt bestens zu Weihnachten. Allerdings bekommt der Begriff mit Blick auf die Fußball-Bundesliga dieses Jahr eine ganz andere Bedeutung. Dort nämlich sieht man derzeit, wie man sich selbst Geschenke macht (das war eigentlich mal anders gemeint) und anderen dabei ein frustrierendes und arbeitsames Weihnachtsfest beschert. Der schwarze Weihnachtsengel ist in diesem Fall der VWL Wolfsburg, jener Retortenclub aus der niedersächsischen Provinz, der sich aufgrund seines besonderen Status nicht an die Regeln des "Financial Fair-Play" halten muss, auf das der deutsche Fußball doch so stolz ist.

Wolfsburg feuert seit Jahren, unterstützt vom hochspendablen VW-Konzern, Geld ohne Ende in seinen Kader, fand sich aber seit der Meisterschaft 2009 regelmäßig im Abstiegskampf wieder. Nun scheint man erkannt zu haben, dass es die Spieler alleine nicht sind, die einen Verein erfolgreich und beliebt machen. Pünktlich zu Weihnachten schrieb man also einen Wunschzettel, auf dem ein kompetenter und sympathischer Manager und Trainer standen. Weil diejenigen Kandidaten, die zur Hälfte der Saison verfügbar sind, vielleicht sympathisch, meistens aber nicht erfolgreich sind, bescherte man sich eben selbst, indem man sich bei den direkten Mitkonkurrenten Werder Bremen und 1. FC Nürnberg bediente. Von Bremen kam Manager Klaus Allofs, von Nürnberg nun gestern Trainer Dierter Hecking. 

Beide bringen ordentliche Referenzen mit, haben sie doch bewiesen, dass sie aus relativ wenig relativ viel machen können, und zwar mit einer gewissen Kontinuität. Während Wolfsburg letztes Jahr mit einem geschätzten Lizenzspieler-Etat von 90 Millionen und dieses Jahr mit 60 Millionen arbeiten durfte, stagnierte der 1. FC Nürnberg im Bereich um 20 Millionen Euro. Die Unterschiede in der Tabelle machten allerdings letztes wie dieses Jahr gerade einmal zwei bzw. einen Punkt aus, was natürlich der Arbeit vom Nürnberger Sportdirektor Martin Bader, nicht zuletzt aber auch der von Dieter Hecking zu verdanken war.

Selbst wenn es emotional schwer fällt: Hecking und Allofs möchte ich an dieser Stelle noch nicht einmal einen Vorwurf machen, auch wenn Hecking noch am 28. August in der Sendung "Doppelpaß" formuliert hatte:

"Ein Angebot [vom VFL Wolfsburg] würde ich mir nicht anhören. Ich habe mit dem 1. FC Nürnberg einen tollen Arbeitgeber. Ich merke, der Verein steht hinter mir. Meine Aufgabe ist es, den Club ins sichere Mittelfeld zu führen. Und deswegen braucht die Anfrage an mich nicht gestellt werden."

Es ist auch ein Problem der Clubs, dass sich Trainer, Manager und auch Spieler inzwischen nicht mehr gezwungen sehen, eine allzu große Loyalität gegenüber dem eigenen Arbeitgeber an den Tag zu legen, weil sie allenthalben zu sehen und zu spüren bekommen, dass die Loyalitätsversprechen ihnen gegenüber in den meisten Fällen auch nur eine kurze Halbwertszeit haben. Wie oft durfte man (auch und gerade bei 1. FC Nürnberg) in der Vergangenheit erleben, dass der Trainer das erste Opfer einer sportlichen Durststrecke wurde, auch wenn man ihm kurz zuvor noch versprochen hatte, dass er die Zeit bekommt, langfristig etwas aufzubauen? Hecking ist nicht vertragsbrüchig geworden, denn er hatte eine Ausstiegsklausel im Vertrag. Er hat fünf Kinder in der Nähe von Wolfsburg, die er selten sieht. Und nicht zuletzt hat der VWL Wolfsburg eben eine Finanzkraft, die sich auch in seinem Gehalt  widerspiegeln wird; von einer Verdopplung gegenüber den 900.000 Euro von Nürnberg ist die Rede.

Jeder sollte sich selbst ehrlich fragen, ob er in einer solchen Situation ablehnen würde. Aber das ist doch eigentlich gar nicht das Problem. Vielmehr sollten sich DFB und DFL fragen, welche Außenwirkung sie mit ihrem Premiumprodukt Fußball-Bundesliga erreichen wollen. Ich behaupte, dass der derzeitige Erfolg der Bundesliga auch und gerade in einer Mischung aus seriösem Wirtschaften (gegenüber spanischen, italienischen und englischen Clubs) und dem Erhalt einer Möglichkeit der Identifikation mit den Vereinen und ihren Protagonisten zu tun hat. Gerade dort, wo man sich in den letzten Jahren verhoben hat (Dortmund, Kaiserlautern, auch Nürnberg) setzt man nun wieder erfolgreich auf junge, hungrige Spieler, in Teilen auch noch aus der jeweiligen Region oder sogar aus der eigenen Fan-Basis, versucht diese langfristig zu binden und damit ein erfolgreiches Team aufzubauen, dass über Identifikation auch Stadien füllt und den Merchandising-Absatz antreibt. Auch Charakterköpfe als Trainer, allen voran die Klopps, Tuchels oder Streichs dieses Landes sorgen für Sympathien und Identifikation. Wolfsburg und Hoffenheim taten über Jahre das genaue Gegenteil. Das sei ihnen unbenommen, jeder ist ja seines eigenen Glückes Schmied. Wenn dann allerdings Wolfsburg mit seiner überlegenen Finanzkraft nicht mehr nur Spieler, sondern auch Manager und Trainer zusammenkaufen kann, wie es ihm beliebt, greift es gerade unter der Saison maßgeblich in die erfolgreichen und langfristig angelegten Konzepte der Konkurrenz ein - und beschädigt nicht nur den eigenen Ruf, sondern auch den des Produkts Fußball-Bundesliga insgesamt.

Die Verantwortlichen sollten sich daher gut überlegen, inwieweit sie das Regelwerk ändern, um solcherlei "Transfers" in Zukunft zu unterbinden. Die Verantwortung auf den einzelnen Spieler, Trainer oder Manager und dessen Moral zu verschieben ist scheinheilig. Es braucht vielmehr Regeln, wie etwa Wechselfristen für Trainer, Wettbewerbsverbote für eine gewisse Zeit (natürlich nicht für den Fall, dass man gekündigt wird) oder auch das Verbot von Wechseln innerhalb der Saison. Wenn das Karussel sich immer weiter dreht und das letzte bisschen Historie, Identifikation, Begeisterung und Überzeugung auf dem Altar des Geldes geopfert wird, sieht es in deutschen Stadien bald so aus, wie in italienischen. Das kann ja wohl niemand wollen...

Einen letzten Weihnachtswunsch hätte ich dann übrigens doch noch: Ich hoffe auf eine katastrophale Rückserie des VFL Wolfsburg, der am Ende in der Relegation endet (Fürth und Hoffenheim dürfen gerne direkt absteigen ;-)), in der dann das Geld aus Wolfsburg gegen das Herzblut aus Braunschweig (die Städte trennen nur 34 Kilometer) verliert. Beim Zuschauerschnitt ist der Klassenunterschied sowieso nicht zu sehen... Das wäre doch mal eine Bescherung für die Bundesliga.


Donnerstag, 20. Dezember 2012

Das Europa-Vermächtnis der FTD

Am 7. Dezember 2012 erschien die Financial Times Deutschland (FTD) zum letzten Mal. Auf einen, wie immer ungezeichneten und damit im Namen der gesamten Redaktion veröffentlichten Leitartikel wollte man auch diesmal nicht verzichten. Eines von vier Themen war dabei die Krise Europas und der Umgang damit. Dieser Teil deckt sich fast vollständig mit meiner Position, die ich bereits in der Vergangenheit an verschiedenen Stellen dargelegt habe (zum Beispiel hierhier, hier hier, hier und hier). Vor dem Hintergrund, dass ich mir dazu regelmäßig Schmähkritik anhören darf und immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, ich hätte ja überhaupt keine Ahnung, wovon ich spreche, kann ich es mir nicht verkneifen, den Text hier zu dokumentieren und zu fragen: Haben dann diese knapp 300 Journalisten, die bei der FTD gearbeitet haben, kollektiv auch keine Ahnung? Die Antwort darf jeder für sich selbst finden...

Viele Politiker sahen die Krise als eine Geschichte von Sündern, in der es um Sühne und Strafen geht. Das war nachvollziehbar angesichts der griechischen Katastrophe, einer Athener Elite, die immer wieder gelogen und ein Land heruntergewirtschaftet hat. 

Dieser Angang ist, um es simpel zu sagen, nur wenig hilfreich. Die FTD hat seit 2009 ein beherztes Eingreifen gefordert, und das wird auch in Zukunft nötig sein: Kein Land in der EU kann sich allein schützen oder das rettende Ufer erreichen. Zu lange hat die Politik diese Interdependez ignoriert, und deswegen hat sich die Krise seit 2010 durch Europa gefressen. Die Panik an den Märkten hat sich vom tatsächlichen Zustand des Kontinents entkoppelt. Europa hat eine schwere Erkältung, nicht Tuberkulose. 

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat lange gezögert, am Ende hat sie sich für den richtigen Weg entschieden: Mit ihren massiven Eingriffen in den Markt, etwa dem angekündigten Kauf von Staatsanleihen der Schuldnerländer hat sie die Panik erst einmal gestoppt. Wenn die EZB daran festhält, wird der Euro die kommenden Rückschläge überstehen. 

In Deutschland sind die Interventionen der EZB unbeliebt, ja gefürchtet. Das ist verständlich. Die Notenbank hat Neuland betreten. Rechtlich bewegt sie sich in einer Grauzone. Doch am Ende zählt vor allem das Ergebnis. Erste Erfolge sind zu sehen: Die zerstörerischen Spreads, also die Zinsaufschläge, die Länder wie Spanien und Italien zahlen müssen, sinken. Die Peripherieländer gewinnen an Wettbewerbsfähigkeit. Es fließt wieder Kapital in den Süden. Am Ende könnte die Strategie, die viele Deutsche ablehnen, genau das bringen, was sie sich ersehnen: Stabilität. 

Also alles gut? Natürlich nicht. Die Euro-Zone aber kann nun den akut lebenserhaltenden Maßnahmen Therapien folgen lassen. Das Regime, das Deutschland in der Krise aufgebaut hat – Kredite gegen Kontrolle -, ist im Grundsatz richtig; es war aber zu brutal, zu rigide im Tempo. Länder wie Portugal brauchen Zeit für die – oft überfälligen – Reformen. 

Die Deutschen wiederum müssen sich fragen: Welches Europa wollen wir? Ob der Kanzler nach der Bundestagswahl 2013 Angela Merkel oder anders heißt: Er muss sich ein Mandat für eine mutige Europapolitik holen. Eine, die mehr ist, als sich „alternativlos“ von Notoperation zu Notoperation zu hangeln. Die den Bundestag nicht länger zum Statisten degradiert. Deutschland darf nicht auftrumpfen, aber genauso wenig kann es sich von seiner Führungsrolle wegducken. 

Am Ende des europäischen Wegs muss die politische Union stehen. Zunächst geht es darum, die Fundamente für eine bessere Währungsunion zu schaffen. Die ersten Schritte für eine Bankenunion sind getan, eine Fiskalunion muss folgen. Deutschland muss zum Aufbau einer Architektur beitragen, die den gefährlichen wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der EU vorbeugt. Einen Länderfinanzausgleich soll es nicht geben – doch die EU soll Transfers leisten können. Sie braucht Finanztöpfe, mit denen Schocks schnell und schlagkräftig abgefedert werden können. 

Eine Lehre muss Europa unbedingt bewahren: Es bringt nichts, Staaten mit der Brechstange zu sanieren. Man muss ihnen Zeit geben, Haushalte in Ordnung zu bringen und ihre strukturelle Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Deutschland ist zu defizitfixiert.

Zuerst erschienen in der Financial Times Deutschland, 7. Dezember 2012, Seite "noch9" unter dem Titel "Was wichtig bleibt".

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Weil man damit so gut schießen kann

Wenn es nicht so traurig wäre, man könnte darüber lachen. Nach dem Massaker in Newtown kaufen die Amerikaner fröhlich Waffen, um sich selbst zu schützen. Oder aus Angst vor dem Staat. Oder aus Prinzip. Und welche Waffe ist besonders populär? Die sensationelle "Bushmaster", mit der der Amokläufer von Newtown über 20 kleine Kinder erschossen hat. Macht ja auch Sinn, denn spätestens jetzt ist bewiesen, dass die "Bushmaster" richtig gut funktioniert. Die Hersteller müssen sich eigentlich zweimal im Jahr einen Amoklauf mit ihren Waffen wünschen. Das würde dann die Werbekosten für den Schlussverkauf sparen. 

Um den Verkauf erst so richtig anzuheizen, nutzten verschiedene Händler die Gunst der Stunde, um die Waffe drastisch zu reduzieren: $ 799,99 bringen eine Ersparnis von $ 320. Yippiiiiieeeeh! Bei Dunham in Mishawaka war die "Bushmaster" dann auch am Montag bereits ausverkauft. Aber immerhin, der Verantwortliche bei Dunham ist sich sicher, dass "die meisten der Käufer die Waffe für Freizeitaktivitäten kaufen". Na dann sind wir ja alle beruhigt. 

Immerhin bevorzugte auch der Washington-Sniper, der 2002 über Wochen die ganze Region terrorisierte und 10 unschuldige Menschen erschoss, ein vergleichbares Modell. Und auch beim Kino-Shooting mit 12 Toten dieses Jahr war die "Bushmaster" das Mittel der Wahl. Weil man damit so gut schießen kann, vermutlich. Und weil die Munition, die beim Aufprall auf Ihr Ziel (also: den Körper) explodiert, auch sicherstellt, dass danach Ruhe im Karton (oder: im Klassenzimmer) ist. 

Aber, liebe Kinder in Amerika, macht Euch keine Sorgen... wenn Eure Eltern jetzt auch eine gekauft haben, seid Ihr sicher. Und außerdem habt Ihr eine Möglichkeit, Euren Lehrern mal zu zeigen, wo es lang geht, wenn sie Euch zu viel Hausaufgaben aufgeben wollen. Man muss sich ja wehren können. Ehrlich jetzt.

Montag, 17. Dezember 2012

Vom (gescheiterten) Versuch, ein Unternehmer zu sein

Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle verkündet, zukünftig öfter über meine Erfahrungen als Gründer zu schreiben. Das ist bisher, aus verschiedenen Gründen, nicht geschehen und soll nun nachgeholt werden. Dabei ist mein erster Versuch, ein eigenes Unternehmen aufzubauen, inzwischen schon gescheitert. Aber keine Sorge, ich habe nicht vor aufzugeben. Und eine Menge gelernt habe ich auch… 

Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Schon im Frühsommer 2011 war ich über ein Produkt gestolpert, das mich nicht nur selbst überzeugte, sondern in der Konstellation auch wie für mich gemacht schien. Es ging um Fruchtmark der Firma Brasfrut aus Feira de Santana in Bahia, Brasilien (wo ich mich sowieso sehr wohl fühle) mit einem für Europa zuständigen Vertriebsbüro in Lissabon (wo ich mich sowieso zu Hause fühle). Nachdem das Produkt, aus dem man leckere Getränke, Nachspeisen etc. herstellen kann, in einigen europäischen Ländern erfolgreich etabliert wurde, fehlte unter anderem noch Deutschland auf der Landkarte. Insofern freute man sich, als ich in Portugal nachhörte, ob denn Interesse an einer Partnerschaft bestünde. Und ich freute mich, weil ich glaubte, das perfekte Produkt gefunden zu haben, um auf dem zu erwarteten Hype um Brasilien (Fußball-WM 2014, Olympische Spiele 2016) mitschwimmen zu können. Aber so leicht war dann alles doch nicht… 

Meine Überzeugung war, dass es Sinn machte, das Produkt nicht in den B2C-Markt einzuführen (also über Supermärkte, etc.), sondern über B2B. Der Gedanke dahinter war der, dass es sich um die Einführung einer komplett neuen Produktkategorie handeln würde und dies mit einem erhöhten Erklärungsaufwand einherginge. Das wäre an der Tiefkühltruhe kaum zu leisten (es kann ja nicht in jedem Supermarkt jemand stehen), weshalb es sinnvoller wäre, die Endverbraucher mit dem verarbeiteten Produkt in der Gastronomie vertraut zu machen. Dabei sollten die Abnehmer nicht Gastronomen direkt sein, sondern Großhändler, die das Produkt dann an Bars, Restaurants und Co weiterverkaufen sollten. Der Grund dafür lag in der Bündelung von Logistikprozessen, um das Produkt günstig genug anbieten zu können, um eine für alle Beteiligten spannende Kalkulation zu erreichen. 

Nach einer intensiven Researchphase schien es tatsächlich so, dass es sich lohnen könnte. Offene Fragen gab es allerdings auch noch, etwa, warum ein Konkurrent (die Acai GmbH aus Berlin), der schon etwas länger am Markt war, es bis dato nicht geschafft hatte, den Sprung zu schaffen und ordentliche Umsätze zu schreiben. Vielmehr zeigte ein Blick in die GmbH-Bilanz erschreckende Verluste über die letzten Jahre. Die Hypothese war, dass dies weniger an dem Produkt, sondern vielmehr am gewählten Vertriebskanal (Versand, dabei Mindestbestellwert € 50, Lieferung irgendwann zwischen 9 und 18 Uhr per Tiefkühlbox) lag. 

Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und auf einen Test wollte ich es schon ankommen lassen, weshalb ich 150 Kilogramm (15 Sorten à 10 Kilogramm) brasilianisches Fruchtmark nach Hamburg kommen ließ. Davon abgesehen, dass ich lernen musste, dass 150 Kilo nicht unbedingt in eine 300-Liter-Tiefkühltruhe passen müssen (kann mir das mal jemand erklären, der sich damit auskennt?), klappte alles reibungslos. Und dann ging es auf Vorführ-Tour durch Hamburg und Berlin, wo ich die meisten potenziellen Käufer unter den Gastronomen vermutete. Um es kurz zu machen: Ich habe viel gelernt und musste mir am Ende trotzdem eingestehen, dass die Idee vor dem Hintergrund des Feedbacks und des dahinter stehenden Chancen-Risiko-Profils keine Zukunft zu haben schien. Was war geschehen? 

Nun, ich war vorher irgendwie davon ausgegangen, dass Gastronomen im Wettbewerb um Kunden versuchen müssen, diese so glücklich wie irgendwie möglich zu machen. Das trifft es allerdings nicht so ganz. Sie müssen sie glücklich machen, allerdings nur genau so viel, dass sie nicht aus Unzufriedenheit woanders hingehen, weniger konsumieren oder schlecht über das Lokal reden. Wenn diese Nebenbedingung erfüllt ist, kann sich der Gastronom darauf konzentrieren, seine Gewinnfunktion zu optimieren, wie wir BWLer gerne sagen :-) Insofern war die Reaktion auf mein Produkt fast immer ähnlich: „Schmeckt super, passt klasse in die Zeit, meine Kunden würden es lieben, aber ich werde es trotzdem nicht auf die Karte setzen.“ Der Hintergrund ist dann doch relativ banal: Das Produkt ist zwar gut, würde aber nicht so viel Sogwirkung entfalten, dass deshalb entweder deutlich mehr Leute kämen oder diejenigen, die sowieso kommen, deutlich mehr konsumieren würden. In diesem Kontext hat der Wirt in erster Linie ein Interesse, die Produkte zu verkaufen, die die beste Marge bringen. Und da liegt jede Cola, Saftschorle o.ä. etwa doppelt so gut, wie ein Smoothie aus echtem Fruchtmark. 

Dass fast alle, denen ich das Produkt vorgeführt habe, persönlich begeistert waren und angaben, es auch im Supermarkt zu kaufen, wenn es verfügbar wäre, hilft mir am Ende nicht. Denn die Anlaufkosten (vor allem Marketing), um das Produkt direkt im Supermarktregal zu platzieren, wären so hoch, dass man diese vermutlich auch mit zukünftigen Gewinnen nie wieder erwirtschaften könnte. Noch dazu birgt die (kostenintensive) Entwicklung eines Marktes auch die Gefahr, dass irgendwann Wettbewerber in den Markt eintreten, die diese Kosten nicht in ihren Büchern stehen haben und daher in der Lage sind, günstiger anzubieten. Kurz und gut, am Ende erschien die Idee in einem anderen Licht und mit letzter Woche ist die zu diesem Zwecke gegründete Firma wieder abgemeldet. Ich habe noch einige Dutzend Kilo tiefgekühltes Fruchtmark im Keller und werde somit noch lange an die Zeit erinnert werden. Bereuen tue ich nichts, denn bevor ich € 400.000 an Krediten aufnehme, um dann gegen die Wand zu fahren, suche ich mir lieber andere Betätigungsfelder… Mehr dazu bald an dieser Stelle! Und in der Zwischenzeit den Leuten der Acai GmbH viel Erfolg...

Montag, 10. Dezember 2012

Von Stacheltieren und Fetisch-Priestern


Fußball ist in Afrika allgegenwärtig, meist allerdings nur in Form von Trikots der großen europäischen Klubs wie Chelsea, Manchester United oder Real Madrid. An Spieltagen der ghanaischen Premier League ändert sich das Straßenbild in Kumasi, der Hauptstadt der stolzen Ashanti, allerdings drastisch. Überall sieht man Menschen in Rot, die den gelben Aufnäher mit dem Stacheltier mit Stolz tragen. Nach dem Meistertitel im letzten Jahr hoffte man bei Kotoko darauf, endlich den Fluch des ersten Spieltags zu besiegen, an dem schon in den vergangenen vier Spielzeiten kein Sieg gelingen wollte. Allerdings hatte der Gegner Amidaus Professionals aus der Hafenstadt Tema, der gerade erst den Wiederaufstieg geschafft hatte, etwas dagegen.

In einem an Höhepunkten armen, dafür aber an Verletzungsunterbrechungen reichen Spiel war Amidaus sogar näher dran am Sieg, musste sich am Ende aber genau wie Kotoko mit einem torlosen Unentschieden der schlechteren Sorte begnügen. Daran konnten auch der offizielle Fetisch-Priester des Klubs und die Brass-Band, die die gesamte VIP-Tribüne taub werden ließ, einen damit aber vor dem Getöse der Vuvuzelas bewahrte, nichts ändern.