Alles Spinner? Keinesfalls! Wer die Occupy-Bewegung als Kindergeburtstag abkanzelt, hat die Motivation der Demonstranten nicht verstanden. Doch die Messlatte liegt hoch: Occupy muss mehr werden als ein Strohfeuer mit Facebook-Unterstützung.
Voriges Wochenende fand in Frankfurt nicht nur die lange organisierte und überdachte Buchmesse statt, auf der ich unterwegs war, sondern auch die relativ spontan anberaumte und unüberdachte „Occupy Frankfurt“-Demonstration. Nicht vor dem Hintergrund des tollen Wetters wollte ich mir das mal anschauen. Und ehrlicherweise gibt es mehr als einen Grund, warum diese ganze Bewegung interessant ist. Wenn sie überleben und etwas bewegen will, muss sie sich allerdings weiterentwickeln. Dagegen zu sein, das habe ich schon an anderer Stelle des Öfteren dargelegt, reicht in diesen Zeiten nicht mehr, um Dinge zu verändern. Es ist auch eine Verantwortung der Bürger, Alternativen anzubieten.
Dass die „Occupy“-Bewegung das bisher nicht geschafft hat, ist ganz sicher verschiedenen Umständen geschuldet. Zum Ersten ist die ganze Community zwar massiv und schnell gewachsen, befindet sich aber noch in ihrer Findungsphase. Das ist ihr nicht vorzuwerfen – ehrlicherweise haben die Aktivisten in dieser kurzen Zeit mehr geschafft, als es jede institutionalisierte Vereinigung hinbekommen hätte. Und – und auch das ist neu – sie haben etwas mit reiner Netzwerklogik geschafft, was nur eine Frage der Zeit war, deswegen aber nicht weniger bemerkenswert ist: den Sprung über Grenzen.
Genau hier ist aber auch das größte Problem der ganzen Bewegung zu finden. Nach allem, was man liest und sieht und hört, sind die Unterschiede in den Zielsetzungen (wenn es denn überhaupt schon konkrete gibt) und in der Motivation, an den Protesten teilzunehmen, in den verschiedenen Ländern jenseits des Protestes „gegen das Finanzsystem“ sehr unterschiedlich.
Während sich die Proteste in Amerika und Deutschland tatsächlich maßgeblich an die Protagonisten des Finanzkapitals richten und deshalb auch genau dort stattfinden, wo diese ihre Firmensitze haben, ist bei den wohl umfangreichsten Protesten in Italien eine deutliche Portion Anti-Berlusconi-Stimmung der Linken vertreten, in Griechenland geht es maßgeblich gegen die Sparpakete und in Portugal gegen die politische Klasse an sich. Die Aktivisten und Sympathisanten in den vielen verschiedenen Ländern der Welt unter einem inhaltlichen Dach mit ausformulierten Forderungen jenseits der Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu versammeln, wird schwierig sein.
Aber vielleicht sollte man dieses Ziel auch gleich fallenlassen und sich aus der gemeinsamen Empörung über die Umstände in der Welt darauf stürzen, national unabhängige, aber auf die jeweiligen konkreten Probleme zugeschnittene Lösungsansätze zu präsentieren. Die Ergebnisse davon würden mich interessieren. Dafür müssten die Unterstützer allerdings auch beweisen, dass sie mehr sind als die „Generation Facebook“, die zwar zu einem Klick und auch einmal zu einem Event zu aktivieren sind, bei inhaltlichen Fragestellungen und umfassenderen Projekten aber schnell verschwinden.
Insofern muss die Bewegung ihren Anhängern ins Stammbuch schreiben: „Occupy Yourself“ für das gemeinsame Ziel. Sonst wird „Occupy“ als erste international erfolgreiche Bewegung in die Geschichtsbücher eingehen – ohne allerdings wirklich etwas bewegt zu haben.
Zuerst erschienen bei "The European" am 20. Oktober 2011: http://www.theeuropean.de/christoph-giesa/8537-globale-protestbewegungen
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