Der eine oder andere mag sich noch daran erinnern, dass vor der Bundesversammlung 2010 eine heftige Diskussion um die Frage entbrannte, wie frei die Wahlmänner und –frauen denn in ihrer Entscheidung sein dürfen oder müssen. „Gebt die Wahl frei!“ war ein bemerkenswerter Namensartikel von Kurt Biedenkopf in der FAZ überschrieben, der Union und FDP damals ganz schön in Bedrängnis brachte, Avaaz startete unter demselben Titel eine Mailingaktion, die den einen oder anderen Abgeordneten ziemlich aus der Fassung brachte vor so viel Aufmüpfigkeit der Bürger.
Einige Wahlleute von Schwarz-Gelb stellten sich trotz allen Drucks öffentlich auf die Seite Gaucks, viele weitere taten es im Rahmen der geheimen Wahl. Die Wutausbrüche, insbesondere der von Wolfgang Bosbach, der später im Rahmen der Abstimmung zum europäischen Rettungsschirm auf einmal die Unabhängigkeit für sich reklamierte, sind unvergessen – und das Problem leider weiterhin ungelöst.
Nun ist bei dieser Bundesversammlung zwar nicht zu vermuten, dass es für Joachim Gauck noch eng werden könnte. Nichtsdestotrotz sollte jetzt trotzdem das gelten, was wir vor zwei Jahren eingefordert haben, als Joachim Gauck nicht Favorit, sondern Außenseiter war. Man darf Forderungen nicht nur dann aufstellen, wenn sie einem gerade in den Kram passen, sei es nach der Direktwahl des Bundespräsidenten, nach mehr Bürgerbeteiligung oder nach dem unabhängigen Mandat, sondern muss auch dann dazu stehen, wenn es anders herum steht. Ich würde sogar noch weiter gehen: Man sollte die Diskussionen in erster Linie und gerade dann anstoßen, wenn einem niemand ein kurzfristiges politisches Ziel unterstellen kann – nur dann ist man glaubwürdig!
In diesem Sinne werbe ich auch diesmal darum, dass jeder einzelne Wahlmann und jede einzelne Wahlfrau sich am 18. März frei und unabhängig nach ihrem Gewissen entscheiden. Auch wenn Gauck dann eben nicht alle Stimmen aus dem rot-grün-schwarz-gelben Lager erhalten wird, das ihn nominiert hat. Das nennt man dann Demokratie – und das ist eines der wichtigen Themen des Joachim Gauck. Er würde mir sicher nicht widersprechen.
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