Freitag, 15. Juli 2011

Der Fall Chatzimarkakis

Unser Kolumnist ist mit dem FDP-Plagiator Jorgo Chatzimarkakis befreundet. Er wirbt für eine aufrichtige Auseinandersetzung mit den eigenen Fehlern – dann ist auch eine zweite Chance gerechtfertigt.

Seit gestern ist es offiziell: Dr. Georgios Chatzimarkakis ist in Zukunft nur noch Jorgo Chatzimarkakis – ohne Doktortitel, dafür aber mit mehr als nur einem blauen Auge. Mir tut das leid. Persönlich wie politisch. Ich bin mit Jorgo seit einigen Jahren befreundet, wir teilen viele, wenn auch nicht alle Ideen, wir haben einige Schlachten gemeinsam geschlagen. Jorgo hat das Vorwort zu meinem ersten Buch geschrieben und wir haben gemeinsam mit einigen anderen den Dahrendorfkreis als Forum für ganzheitlichen Liberalismus in der FDP gegründet. Dass Jorgo öffentlichkeitswirksam seinen Titel abgeben musste, macht uns die inhaltliche Arbeit sicher nicht leichter.

Es wäre nun vermeintlich ein Leichtes, sich offiziell von Jorgo zu distanzieren, ihn auszugrenzen. Oder, auch das findet man im politischen Betrieb häufig genug, ihm umso demonstrativer den Rücken zu stärken, so wie das etwa die Union im Fall zu Guttenberg getan hat. Auch das wäre nicht untypisch für die Politik, wie wir sie kennen. Ich will allerdings weder das eine noch das andere tun, sondern vielmehr dafür werben, den Fall Chatzimarkakis zum Anlass zu nehmen, sich Themen wieder ein wenig differenzierter zu nähern. Was ich damit meine?

Nun, vielleicht lohnt es sich, ein wenig weiter auszuholen. Ich bin kein Jurist, aber ich habe doch, wie vermutlich jeder, der sich lange genug in unserem gemeinsamen Rechtssystem bewegt, das Gefühl, dass sich der Umgang mit den vermeintlichen Verfehlungen eines Menschen nicht nur an dem Ob, sondern besonders stark auch an dem Was und an dem Wie orientiert. So herrscht ein gesellschaftlicher Konsens etwa darüber, dass ein Kinderschänder schärfer zu bestrafen ist als ein Falschparker und dass es einen Unterschied macht, ob jemand fahrlässig, grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hat.

Betrachtet man nun mit diesem Gedanken im Hinterkopf die Fälle zu Guttenberg und Chatzimarkakis einmal genau und ohne Polemik, so müsste man schnell zu dem Schluss kommen, dass ein jeweils differenziertes Urteil angebracht wäre. Während einer, nämlich zu Guttenberg als er schon Abgeordneter war vorsätzlich getäuscht hat, sich ganz offensichtlich in ungehöriger Weise helfen ließ und es sich nicht nehmen ließ, die Öffentlichkeit fast schon zu verhöhnen, wird der andere, nämlich Chatzimarkakis mit derselben Strafe vor allem dafür belegt, dass er es am Ende seiner mehrjährigen Doktorarbeitszeit mit der Zitierweise nicht mehr allzu genau nahm. Sicher haben auch nicht alle seine Äußerungen zur Objektivierung beigetragen. Die Situation an sich allerdings, zumal in einem politisch aufgeheizten Umfeld, lies eine Differenzierung von Anfang an kaum zu.

Die Uni Bonn steckte in einem Dilemma: Die Aberkennung des Titels ist eine vergleichsweise harte Strafe dafür, dass am Schluss der Dissertation vielleicht auch ein wenig Lust und Zeit fehlten, um wissenschaftlich sauber zu Ende zu arbeiten. Schuld ist Jorgo daran allerdings trotzdem selbst. Und deswegen hätte ein glatter “Freispruch” auch ein falsches Zeichen gesetzt und den Ruf der Uni und der Wissenschaft an sich noch weiter beschädigt. Zwischen diesen beiden Optionen, das ist aus meiner Sicht auch ein wenig die Tragik an diesem Fall, gab es keine realen Möglichkeiten zu handeln.

Jorgo hat inzwischen angekündigt, die Aberkennung des Titels nicht auf sich beruhen lassen. Damit meint er allerdings offensichtlich (und hoffentlich) nicht, dass er juristisch gegen diese Entscheidung vorgehen will, sondern dass er sich nun abermals um den Erwerb der Doktorwürde bemühen will. Ich empfinde diese Ankündigung als respektabel. Und ich möchte dafür werben, dass er eine zweite Chance bekommt – im Wissenschaftsbetrieb, wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch Politiker sind Menschen und machen Fehler. Mir persönlich ist es deutlich lieber, wenn man zu den eigenen Verfehlungen – von denen keiner von uns in Gänze frei ist – steht, die „Strafe“ anerkennt, selbst wenn man nicht mit der Bewertung übereinstimmt und dann umso härter daran arbeitet, zu beweisen, dass man es auch anders und besser kann. Das würde der Situtation gerecht und auch – diese persönliche Anmerkung sei mir erlaubt – dem Menschen Jorgo Chatzimarkakis, so wie ich ihn kenne. Die Gänsefüßchen allerdings, die müssen diesmal sitzen… da gibt es keine Ausreden mehr. Denn am Ende kommt man nicht durchs Leben, ohne in den entscheidenden Situationen dicke Bretter zu bohren. Auch das ist ein wertvolles Zeichen in dieser schnelllebigen Zeit…
 

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