Dienstag, 12. April 2011

Debattenbeitrag auf dem Bundeskongress der Jungen Liberalen im November 2010

Liebe Julis,

wenn man in meinem Alter auf einem Buko spricht, dann hat das ja automatisch schon etwas von Geschichtsstunde. Heute will ich diesem Eindruck ganz bewusst nicht entgegenarbeiten, deshalb habe ich Euch auch etwas mitgebracht, nämlich ein Juli-Werbemittel aus dem Jahr 1999, als ich bei den Julis Mitglied geworden bin. „Wir können die Welt verändern“ steht da drauf – und das war auch das, woran man damals ganz fest glauben musste, wenn man sich beim Straßenwahlkampf anspucken und schlagen lassen musste. Die FDP lag am Boden, weil sie die liberalen Ideale verraten hatte und sich als reiner Steigbügelhalter für die Union und als Klientelpartei der Besserverdienenden ins Abseits katapultiert hatte. Wir haben uns damals geschworen, es besser zu machen und waren genau deswegen auch die treibende Kraft hinter der Ablösung von Wolfgang Gerhardt, weil wir mit ihm keine Chance für einen Neuanfang gesehen haben. Mit Guido sollte ein Neuanfang her. Und auf den warten wir bis heute.

Ich hab mal ein bisschen im Archiv gekramt. „Die Teamleistung in der FDP-Führung ist indiskutabel. Es ist für eine liberale Partei selbstverständlich, dass Führungspositionen ausschließlich durch persönliche Leistung legitimiert werden.“ Das stammt aus einem Leitantrag auf dem 27. Bundeskongress der Jungen Liberalen, 2003, als Daniel Bahr Bundesvorsitzender war. Gilt dieser Satz heute nicht mehr, oder warum wird diese Regel gerade bei Guido Westerwelle außer Kraft gesetzt?

2003 habe ich als Landesvorsitzender der rheinland-pfälzischen Julis gemeinsam mit anderen Landesvorsitzenden wie Florian Rentsch, Florian Toncar, Oliver Lucsic und Martin Hagen einen Brandbrief an Westerwelle geschrieben, mit der Aufforderung „schnellstmöglich die falschen Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit zu korrigieren“. „Ordnungspolitisch falsche Zugeständnisse an einen Teil der Gesellschaft gehen immer zu Lasten des anderen Teils der Gesellschaft“ und sorgen dafür, „dass das Gesamtpaket FDP […] nicht mehr wahrgenommen wird, weil es unglaubwürdig erscheint“. Heute fordert der Bundesvorstand wieder dasselbe – sieben Jahre später!

2005 schrieb Martin Lindner in seinem viel diskutierten Papier „Die FDP kann mehr“: „Statt aber klare und unverfälschte Positionen einzunehmen, bringen wir uns in den Geruch des Klientelismus.“ Und weiter: „Inkonsequenz beraubt gute Vorschläge ihrer Wirkung, weil sie nicht mehr ernst genommen werden. Inkonsequenz macht angreifbar. Sie liefert dem politischen Gegner unnötig Argumente, mit denen er von den eigenen Fehlern und Schwächen ablenken kann. Inkonsequenz führt vor allem zu Glaubwürdigkeitsverlust – eine gefährliche Krankheit, weil sie chronisch werden kann. Seit Jahren ist die FDP in der Opposition. Diese Zeit muss genutzt werden, um bei den Bürgern neue Glaubwürdigkeit zu erringen und sie in einer künftigen Regierung auch zu bewahren.“

Ich frage Euch: gilt das, was damals gesagt wurde, heute auf einmal nicht mehr? Haben wir alles über Bord geworfen, wofür wir elf Jahre in der Opposition gekämpft haben, nämlich es besser und anders machen zu wollen?

Noch ein Zitat, Leitantrag vom 31. Buko der Julis, 2005, unter dem Vorsitzenden Johannes Vogel: „Zentrales Kriterium ist neben Kompetenz und Integrität der Akteure auch die Glaubwürdigkeit und Authentizität als Vertreter eines konsequenten Liberalismus. Jeglicher Klientelismus und öffentliches Postengeschacher unterminieren massiv die Glaubwürdigkeit der FDP. Jeder, der sich in Zukunft so verhält, hat sich als Führungsverantwortlicher disqualifiziert und wird von den Julis nicht in irgendeiner Form geschont oder unterstützt werden.“ Klientelismus? Postengeschacher? Wie soll man die Hotelierssteuer und die egoistischen Entscheidungen von Westerwelle und Niebel für Außenamt und Entwicklungshilfeministerium und gegen das wichtigere Finanzministerium denn bitte sonst nennen? Wir haben Guido Westerwelle schon 2005 sehr deutlich eine allerletzte Chance eingeräumt. Zitat: „Guido Westerwelle besitzt das Vertrauen der Jungen Liberalen. Wir werden ihn jedoch zukünftig daran messen, der beschriebenen, mit seiner Rolle verbundenen Verantwortung gerecht werden. Er muss die Partei auf dem Kurs der Glaubwürdigkeit halten und einen ganzheitlichen und konsequenten Liberalismus vertreten, um die enormen Chancen der Liberalen zu verwirklichen.“ Hat er das seitdem? Muss mir entgangen sein.

Und weiter geht’s… Philipp Rösler schrieb 2008 in seinem Strategiepapier „Was uns fehlt“: Spätestens jetzt müssen wir erkennen, dass bei aller Richtigkeit unserer liberalen Programmatik etwas fehlt: Eine Vision. Ein gesellschaftliches Bild, das glaubwürdig ist, den Menschen wieder Mut macht und ihnen den Optimismus zurückgibt, der in den letzten zehn Jahren verloren gegangen ist.“ Wo finde ich denn diese Vision im hingerotzten Koalitionsvertrag oder im Regierungshandeln? 

Die Fehler, die die FDP in Person von Guido Westerwelle in letzter Zeit gemacht hat, haben nichts mit Unerfahrenheit in der neuen Position zu tun. Die Gründe liegen tiefer, nämlich im Selbstverständnis und Führungsstil des Parteivorsitzenden und seines Umfelds begründet. Er kann es nicht. Und er wird sein Handeln nicht ändern, solange er nicht muss. Alles was wir heute erleben, haben wir schon einmal erlebt. Alles was wir heute sagen, haben wir schon einmal gesagt. Nur fehlen heute diejenigen, die den nächsten Schritt gehen. Aber wovor haben wir eigentlich Angst? Und vor was eigentlich?

Jetzt wäre die Zeit der Julis. Nur wir können den Startschuss geben, um die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Ich hoffe, dass ich von diesem Kongress nach Hause fahren kann und das Gefühl habe, dass ich nicht der einzige bin, der noch an das glaubt, wofür die Julis auch in schweren Zeiten standen: Wir können die Welt verändern.

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