Mittwoch, 4. November 2009

Entwicklungshilfe für Deutschland statt Milliardensubventionen


Die FDP hat vor der Wahl gefordert, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen und die Aufgaben ins Außenministerium zu integrieren. Das hätte durchaus Sinn gemacht – zumindest so lange, wie man nicht selbst den zuständigen Minister stellte. Inzwischen scheint es so, dass alles einfach so weiterläuft wie unter der "roten Heidi", Dirk Niebels Vorgängerin im Amt. Das ist ein Fehler. Man sollte die Entwicklungshilfearbeit massiv ausweiten – jedoch nicht in Südamerika, Afrika oder Asien, sondern in Deutschland!

Was sich unsinnig anhört – und nicht ganz ohne Augenzwinkern formuliert wurde – hat einen sehr ernsten Hintergrund. Während man mit Entwicklungshilfe seit Jahrzehnten vergeblich (weil mit falschen Instrumenten und ohne nachhaltige Kontrolle) versucht, die Ungleichheit der Welt etwas abzufedern und Menschen in der Zweiten und Dritten Welt mehr Chancen zu eröffnen, wird immer noch weitestgehend übersehen, dass innerhalb Deutschlands die Gesellschaft immer weiter auseinanderfällt – und zunehmend Verlierer produziert werden, die ihr Leben als ohne wirkliche Chance wahrnehmen und sich so von dieser Gesellschaft entfernen. Oftmals handelt es sich dabei um Migrantenkinder, fast immer aber um Kinder, die aus sozial schwächeren Familienverhältnissen stammen. Nirgends in der westlichen Welt ist der Lebenserfolg so eng mit der sozialen Herkunft korreliert, wie in Deutschland. Eine erschreckende Erkenntnis. Reaktionen bleiben allerdings bisher weitgehend aus.

Warum passiert nichts? Vermutlich ist es einfach so, dass dieses Thema in weiten Kreisen von Politik und Gesellschaft derzeit noch als alleiniges Problem der direkt Betroffenen gesehen. Doch das ist es nicht. An der Antwort auf Frage, welche Chancen und welche Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander jeder in Deutschland haben muss, unabhängig von seiner Herkunft, entscheidet sich ganz maßgeblich auch die Frage nach der Gesellschaft, in der wir in Zukunft leben werden, mit. Hat man vor Jahren noch geglaubt, dass der Begriff "Schwellenländer" die Staaten bezeichnet, die auf dem Sprung sind, mit den westlichen Industriestaaten gleichzuziehen, eine Mittelschicht zu etablieren und soziale Spaltung – auch im Sinne von Gated Communities mit Wachmännern, Privatschulen für die Reichen und Pulic Schools für die Armen und rassistischer Ausgrenzung – zu überwinden, muss man inzwischen konstatieren: eine Annährung findet statt. Aber nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Deutschland ist inzwischen ein Schwellenland – und damit in vermeintlich bester Gesellschaft, wenn man in die USA oder nach Frankreich schaut. Die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich, Gewinner und Verlierer nimmt zu. Und gefährdet mittel- bis langfristig auch die Freiheit derer, die sich momentan noch als Gewinner fühlen.

Es braucht doch niemand ernsthaft zu glauben, dass diejenigen, die keinen Zugang zu den Fleischtöpfen abbekommen haben, sich ihrem Schicksal in großer Zahl klaglos fügen und ohne Widerstand für € 4,50 bei Kik ihre 50 Stunden abreißen werden, um danach doch nicht genügend Geld zu haben, um ihre Familie zu ernähren. Die Parallelgesellschaften der Latinos in den USA und der arabisch-afrikanischen Community in Frankreich sollte Warnung genug sein, sich dieses Themas anzunehmen. Erste Tendenzen, vor allem im türkischstämmigen Umfeld sind bereits erkennbar. Re-Islamisierung, die Unterdrückung von Frauen und die Ablehnung der Grundwerte dieser unserer Gesellschaft greifen immer weiter um sich und legen ein Feuer, dass schon heute nur noch mit schwerster Anstrengung unter Kontrolle bekommen werden könnte. Doch diese Anstrengung fehlt vollständig. Integrationsgipfel und ähnliches sind zwar richtig – aber leider noch nicht einmal der Tropfen auf dem heißen Stein.

Wenn von Investitionen in Bildung gesprochen wird, dann verstehen die meisten Politiker immer noch Elitenbildung darunter. Ein wichtiger Aspekt, will man perspektivisch ganz vorne mitspielen. Aber was ist mit denen, die davon nicht profitieren? Die – um im Fußballjargon zu bleiben – von Geburt an gegen den Abstieg kämpfen?

Deutschland gibt im Jahr 2009 unglaubliche 54 Milliarden Euro für Subventionen aus. Abwrackprämie (alleine 7 Mrd.), Bankenhilfe, Theater und Museen, Sportförderung und Agrarsubventionen. Wenn nur zehn Prozent davon in die Förderung von Integration (Sprachförderung, Sozialarbeiter, Hausaufgabenhilfe etc.) gesteckt würde, hätte man vielleicht eine Chance, den negativen Trend aufzuhalten und auch das bürgerschaftliche Engagement wieder anzuregen. Gemeinsinn statt Parallelwelt – und zwar am oberen wie am unteren Rand – muss das vorrangige Ziel unserer Gesellschaft sein, damit wir nicht in Zukunft brasilianische, südafrikanische, amerikanische oder französische Verhältnisse bekommen. Das einzusehen fällt dem einen oder anderen Liberalen vielleicht im ersten Moment schwer – aber was zählt mehr - die kurzfristige Freiheit ohne Verantwortung, wenn dafür in Zukunft ein Leben im goldenen Käfig droht? Oder ein nachhaltiger Ansatz, der den Kern dieser Gesellschaft, Chancengerechtigkeit und Teilhabe, bewahrt?

Deutschland braucht ein radikales Umdenken. Entwicklungshilfe für Deutschland statt Milliardensubventionen für kränkelnde Branchen und starke Lobbies!

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