Donnerstag, 22. Oktober 2009

Warum die FDP baldmöglichst ein neues Grundsatzprogramm braucht


Die FDP muss sich ein neues Grundsatzprogramm geben. Und die Diskussion muss eigentlich jetzt starten. Schon 2005 habe ich einen entsprechenden Antrag auf dem Bundeskongress der Jungen Liberalen gestellt, der wenig Unterstützung fand. Dort hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden und ich hoffe, dass auch die Führung der Partei nicht auf der Bremse steht, wenn es darum geht, den politischen Liberalismus in Deutschland fit für die Zukunft zu machen.

Um ein Missverständnis gar nicht aufkommen zu lassen: dies ist keine fundamentale inhaltliche Kritik an den Wiesbadener Grundsätzen, dem derzeit gültigen Grundsatzprogramm der Liberalen. Dieses kleine Buch war der Grund, warum ich mich 1999 für die Liberalen entschieden habe und ihnen auch in Zeiten, in denen ich manche realpolitische Entscheidung und das Auftreten der Würdenträger als zum Fortlaufen empfunden habe, treu geblieben bin. Nichtsdestotrotz erfordern neue Zeiten auch neue Antworten. Womit wir beim ersten Grund – dem vielleicht intuivsten – für ein neues Grundsatzprogramm sind:

1. Notwendige inhaltliche Erneuerung

Die Wiesbadener Grundsätze sind inzwischen mehr als zwölf Jahre alt. Sehr grundsätzliche Werke können schon einmal eine längere Halbwertszeit haben, das ist sicher richtig. Man denke nur an die Bibel, den Koran, Marx‘ „Das Kapital“, die Werke von Adam Smith oder die philosophischen Klassiker. Ein politisches Grundsatzpapier muss aber, auch wenn es strategisch gedacht ist, viel handfestere Antworten auf die wichtigen Frage einer Zeit geben. Wenn diese Fragestellungen sich verändern, ist es keine Schande, wenn man sein Programm nach kurzer Zeit revidieren muss, sondern viel mehr die Basis für Zukunftsfähigkeit. Vor dem Hintergrund, dass der 11. September, die Kriege in Afghanistan und dem Irak, die Hartz-IV-Reformen, die Konstituierung der Partei „Die Linke“ und das Aufkommen der „Piraten“ erst nach der Jahrtausendwende stattgefunden haben und die politische Landschaft nachhaltig verändert haben, ist es Zeit, mit einer Vision für Deutschland, Europa und die Welt zu reagieren, die solche Themen abzudecken in der Lage ist.

2. Neuaufstellung auf dem Weg zur „Mittelpartei“

Die FDP hat über die letzten Jahre immer wieder Wahlergebnisse eingefahren, die es fast verbieten, weiter über sie als eine „kleine Partei“ zu sprechen. Sie hat an Mitgliedersubstanz ebenso wie an Mandaten gewonnen und ist inzwischen tatsächlich eine gesamtdeutsche Partei. Nichtsdestotrotz muss man bei der Bestandsaufnahme ehrlich bleiben: die Stärke der FDP ist auch eine Schwäche ihrer politischen Gegner. Natürlich gab es mit den Grünen und den Linken ernst zu nehmende Konkurrenz um die enttäuschten SPD- und Unionswähler und natürlich hat sich die FDP im Kampf um diese weitgehend durchgesetzt. Diesen Erfolg möchte ich Guido Westerwelle in keiner Weise in Abrede stellen. Doch wäre es töricht, diese Ergebnisse nur als eigene Stärke anzusehen. Sie sind vielmehr weitgehend als Vertrauensvorschuss zu verstehen – und wie man mit diesem umgehen sollte und welche die FDP selbst für sich sieht, muss nicht nur innerhalb der Fraktionen sondern ganz fundamental in einer Programmdiskussion innerhalb der gesamten Partei erörtert und beantwortet werden.


3. Entwicklung einer Vision über diese Legislatur hinaus

Die Wiesbadener Grundsätze kamen 1997 zu spät. Die FDP hatte nicht mehr die Kraft, in der Partnerschaft mit der Union einen Neuanfang zu wagen und wurde 1998 mit ihrer Abwahl auf Bundesebene bestraft. Innerhalb der FDP haben die Wiesbadener Grundsätze mit dazu beigetragen, die Gräben zwischen den verschiedenen Flügeln weitestgehend zuzuschütten. Außerhalb wurden ihre Inhalte kaum wahrgenommen. Bis heute steht die FDP für viele für einen reinen Wirtschaftsliberalismus – ein Verständnis, was im Grundsatzprogramm so nicht angelegt ist. Obwohl die öffentliche Wahrnehmung gerade auch während der Koalitionsverhandlungen aufgrund von einzelnen, aber plakativen Themen langsam zu kippen scheint – Stichwort Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger oder Internetsperren – fehlt der Partei die große Vision.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben?

Das haben bisher für sich nur die Grünen wirklich beantwortet, aber eine solche Antwort erwartet man auch und gerade von einer Mittelpartei wie der FDP. Wenn wir es nicht schaffen eine solche Vision zu entwickeln und auch damit wahrgenommen zu werden, kann es passieren, dass in ein paar Jahren wieder der Zeitpunkt gekommen ist, an dem sich die Menschen fragen, wofür sie die FDP wählen sollen. Für den Moment gibt es genügend „Projekte“, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben. Aber nur eine Vision, hinter der sich die Menschen versammeln können, sorgt dafür, dass man auch nachdem man diese abgearbeitet hat, Argumente zu bieten hat, für die es sich lohnt, gewählt zu werden! Dass die Koalitionäre seit Tagen genau an diesem Punkt stocken – nämlich bei der Frage, unter welches Motto sie die Legislatur stellen wollen – zeigt den Handlungsbedarf deutlich auf.


2 Kommentare:

  1. Grundsätzlich kann ich dem nur zustimmen. In dieser Sache wäre aber zunächst der Generalsekretär gefragt. Nur von da kam bislang ja beharrlich nichts zu diesem Thema. Beim letzten BuPa in Hannover wurde es dann wieder versprochen...mal abwarten.

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  2. Ich glaube der Generalsekretär hat auch eine gewisse "Druckempfindlichkeit"... oder anders gesagt: Wie war das noch mit dem Berg und dem Propheten? ;-)

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