Dienstag, 27. Oktober 2009

Merkels Machtarithmetik

Die Koalitionsverhandlungen sind vorbei, die Posten sind weitestgehend besetzt, die Überraschung über die eine oder andere Personalie hat sich weitestgehend gelegt. Zeit für eine Betrachtung dessen, was den nun am Ende wirklich steht – und wer sich damit wirklich durchgesetzt hat.

Um es vorwegzunehmen: Gewinnerin ist aus meiner Sicht genau die Person, die in der öffentlichen und innerparteilichen Wahrnehmung weitestgehend als Verliererin gesehen wird. Nämlich die Bundeskanzlerin.

Zwar ist sicher richtig, das der Koalitionsvertrag auf den ersten Blick deutlich die Handschrift der Liberalen und der CSU trägt. Fraglich ist nur, ob dieser tatsächlich das maßgebliche Papier für die nächsten Jahre sein wird. Ihm fehlt nicht nur die eine oder andere konkrete Antwort (weil viele Themen in Kommissionen verschoben wurden), sondern auch die große Vision. Für was für eine Gesellschaft will diese Koalition stehen? Diese Frage bleibt über die konkreten „Projekte“ hinaus unbeantwortet. Und genau an dieser Stelle wird die Stärke von Angela Merkel deutlich. Sie hat es verstanden, ihre Vertrauten auf die wichtigsten Posten zu setzen, die es braucht, um die großen Leitlinien zu bestimmen und gleichzeitig die Leerstellen mit konkreter Politik zu füllen.

So wäre es eine Überraschung, wenn die Kanzlerin nicht genau wie während der großen Koalition die außenpolitischen Leitlinien selbst bestimmen würde. Westerwelle wird zu kämpfen haben, dort Akzente zu setzen und nicht nur als treuer Begleiter der Kanzlerin wahrgenommen zu werden. Das Thema Finanzen, ein Knackpunkt für diese Koalition, besetzt die CDU ebenso wie das Ressort Wirtschaft- und Arbeit Arbeit und Soziales und Inneres, wobei es in den letzten beiden in der Koalition aufgrund der weit auseinanderliegenden Meinungen von Union und FDP wenig Bewegung in die eine oder andere Richtung geben wird. Auch in der Bildung, dem einzigen Bereich, wo deutliche Steigerungen im Budget vereinbart wurden, und der ebenfalls gut ausgestatteten Familienthematik sitzt die CDU am Hebel. Das Wirtschaftsministerium hat schon unter Glos und Guttenberg, trotz dessen erfolgreichen Selbst-Marketing, an Gestaltungskraft eingebüßt. Kein Geld zum Ausgeben nirgendwo – und auch Fragen wie etwa in den Fällen Opel oder Quelle wurden im Kanzleramt und in den Staatskanzleien und nicht etwa im Wirtschaftsministerium diskutiert.

Nun stellt sich die Frage, warum Liberale und Christsoziale diese Konstellation nicht verhindert haben. Die Antwort scheint einfach. Es wurden in beiden Fällen mehr Ministerien gegen weniger, aber dafür stärkere Ministerien getauscht. Eine Fehlentscheidung, wie ich meine. Für die CSU als Schwesterpartei der CDU ist das vermutlich noch eher zu verkraften, als für die FDP. Warum die Gestaltungskraft für Außen-, Wirtschafts- und Justizministerium eingeschränkt ist, habe ich weiter oben schon erläutert. Dass sich das Entwicklungshilfeministerium dem Außenressort unterzuordnen hat (das sich dann wiederum der Kanzlerin unterordnen wird), konnte man schon bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages den Worten Westerwelles entnehmen. Und das man im Gesundheitsbereich sowieso keine Chance auf klare Handschriften hat, weil alles von Koalitionspartnern wie auch Lobbygruppen verwässert wird, haben die letzten Jahrzehnte gezeigt (Philipp und Daniel, straft mich gerne Lügen!).

Was aber fast noch schlimmer ist: niemand hat es geschafft, Angela Merkels Machtarithmetik zu durchbrechen! Keiner hat verhindert, dass sie mit Karl-Theodor zu Guttenberg einen Verteidigungsminister installiert, der sich eher als zweiten Außenminister verstehen wird und mit der klaren Zielsetzung sein Amt antreten wird, Guido Westerwelles Strahlkraft zu brechen und eine gewisse Klientel für die Union zurückzugewinnen. Auch dass das Verkehrsministerium an die CSU geht, zeigt deutlich: dort wo Union und FDP ähnliche Programmatik haben, dürfen sich CSU und FDP um die öffentliche Wahrnehmung streiten (in diesem Falle Wirtschafts- und Verkehrsminister). Was am Ende herauskommt, wird Frau Merkel so oder so schmecken.

Ich würde mir wünschen, dass ich mit dieser Analyse/ Prophezeiung nicht recht behalte. Sollte die FDP es schaffen, dieser Koalition trotz der widrigen Umstände ihren Stempel nachhaltig aufzudrücken, wäre dies die bestandene Reifeprüfung für Guido Westerwelle, die noch aussteht. Eine Partei erfolgreich zu führen, ist das eine. Ein Land erfolgreich zu führen und sich dabei von einer gewitzten Machtpolitikerin wie Angela Merkel zu emanzipieren, das andere.

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